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Die Comtessa

Die Comtessa

Titel: Die Comtessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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Felipe, als wohlgeborener Spross einer großen Familie, konnte auf Milde hoffen, wenn sie gefasst wurden. Doch er und Severin … den Gedanken mochte er gar nicht zu Ende bringen.
    Andererseits reizte das Abenteuer. Was konnte es Aufregenderes geben, als der Erbin von Narbona zur Flucht zu verhelfen? War das der Weg zu Ruhm und Ehre, ihrer Dankbarkeit auf ewig gewiss? Arnauts Herz hämmerte wie wild, auch wenn er sich äußerlich ruhig gab, während Felipes Blick sich in seine Seele bohrte, als wollte er ihn allein durch den Willen zwingen.
    »Ihr seid verrückt!«, sagte Arnaut schließlich.
    »Wie meinst du?«
    »Es wird das Land in Aufruhr stürzen.«
    »Recht so! Für die Freiheit muss man etwas wagen. Nicht, wie unsere Herren Väter immer den Schwanz einziehen.«
    »Welche Freiheit?«
    »Die Stadt kann nur blühen, wenn man sie von der schweren Hand der Fürsten befreit. So wie Genua und Pisa.
Coms
Aimeric verstand das. Und so sieht es auch Ermengarda.«
    Freiheit. Ein gefährliches Wort. Arnaut war mit der altbewährten Ordnung aufgewachsen, wie sie auf dem Lande üblich war. Der
senher
kümmerte sich um die Seinen, legte seine schützende Hand über sie. Dafür schuldete man ihm Respekt und Treue. So war es immer gewesen. Was wäre, wenn jeder dumme Bauer plötzlich von Freiheit träumte? Oder gar gegen seine Herrschaften aufbegehrte? So einer würde schnell am Galgen enden. Und mit Recht.
    »Ich soll also dem Grafen von Tolosa die Braut stehlen?«
    »Hast du Angst?«, fragte Felipe und zog die Brauen hoch. »Da hatte ich dich anders eingeschätzt.«
    »Nennst du mich einen Feigling?« Wütend sprang Arnaut auf und legte die Hand an den Schwertgriff. Unter keinen Umständen zweifelte man den Mut eines Provenzalen an. Nicht, wenn man noch länger leben wollte.
    »Eh, beruhige dich,
ome!
« Felipe hob beschwichtigend die Hände. »Setz dich wieder. Es tut mir leid. So habe ich es nicht gemeint.«
    Arnaut blickte auf ihn herab. Als Felipe sich noch einmal entschuldigte, nahm er zögernd wieder Platz.
    »Sieh es mal anders«, sagte Felipe, der nun ernst geworden war. »
Vescoms
Aimerics Familie herrscht in Narbona, von allen Nachbarn geachtet, seit mehr als vierhundert Jahren. Er war Verbündeter vieler Adelshäuser, die auf ihn zählten und die nun auf einen würdigen und ebenso verlässlichen Nachfolger hoffen. Soll dieses Geflecht von Treuebeziehungen mit einem Streich zu Ende sein?«
    Das waren Beweggründe, die Arnaut besser verstand. Ehre, Recht und Treue, die Grundpfeiler jeder Ordnung. Nur durch ein solches Netz von Bündnissen und Verpflichtungen ließ sich der Frieden erhalten. Doch der Gedanke erinnerte ihn auch an die eigenen Pflichten.
    »Ich kann nicht. Alfons ist mein Lehnsherr!«
    »Alfons ist dein Lehnsherr?«, fragte Felipe gedehnt. Dann schlug er sich an die Stirn. »Du hast es mir, glaube ich, erzählt. Ich muss es vergessen haben.«
    »Rocafort ist ein freies Lehen der Tolosaner. Wir sind zu keinem Kriegsdienst verpflichtet, aber ich kann nicht die Treue brechen, die meine Familie dem Grafen schuldet. Ihm die Braut zu entführen, ist kein Abenteuer, bei dem ich Ehre erwerben kann. Es ist Verrat.«
    »Ich kann ihn verstehen«, warf Raimon ein. »Den Treueschwur der Seinen zu brechen, könnte seine ganze
familia
in Verruf, wenn nicht gar in Gefahr bringen.«
    Sie wussten, dass das Wort
familia
weit mehr bedeutete als nur der engste Verwandtenkreis. Dazu gehörten alle, die unter dem Dach des
senher
wohnten, von seiner Gunst lebten oder ihm verpflichtet waren. Sie alle bildeten durch Blutsbande, Treueschwur oder Pachtvertrag eine enge Lebensgemeinschaft. In ihr regelte sich das Leben weniger nach der Willkür des Herrn, sondern nach überlieferten Gebräuchen des Gemeinwesens. Gehorsam und Eintracht gehörten ebenso dazu wie die Pflicht, in jedem Fall die Treue zu halten, die man geschworen hatte, denn die
familia
war dem Menschen Hort und Sicherheit. Ohne sie wäre er allen Anfechtungen schutzlos ausgeliefert.
    »Merda!«,
fluchte Felipe.
    Lange stierte er mit finsterer Miene ins Feuer. Auch er bewegte sich auf dünnem Eis, wenn er Ermengarda zur Flucht verhalf. Doch schließlich war sie die rechtmäßige Erbin, sagte er sich, und hatte ein Recht, so zu handeln. Und als Edelmann von Narbona war es seine Pflicht, ihr beizustehen, gleich, was sein Vater davon hielt. So zumindest versuchte er, sein Gewissen zu beruhigen.
    Nach einer Weile klärte sich seine Stirn wieder. Er sprang auf, legte

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