Die Comtessa
Arnaut die Hand auf die Schulter und grinste. »Es wird uns schon noch etwas einfallen. Bleib in jedem Fall in der Stadt, bis sich die Sache geklärt hat. Wer weiß, vielleicht kannst du uns ja doch noch auf die eine oder andere Weise nützlich sein.«
Auch Arnaut erhob sich.
»Ich glaube nicht, Felipe. Morgen reiten wir heim. Es ist besser, wir sagen uns jetzt Lebewohl.«
»Ich verstehe. Und nichts für ungut. Ich hoffe, du bist mir nicht gram, dass ich dich in diese Geschichte ziehen wollte.«
»Keineswegs«, erwiderte Arnaut, den es nun maßlos ärgerte, dass die Reise so enden musste. Auf seinem Gesicht zeigte sich die tiefe Enttäuschung, so unrühmlich aus Narbona abziehen zu müssen. »Unter anderen Umständen …«
»Mach dir keine Gedanken. Eines Tages vielleicht, wer weiß … Jedenfalls bist du hier immer willkommen.«
Sie umarmten sich ein wenig kühl, dann verabschiedete sich Arnaut auch von Raimon und ließ sich von Felipe noch bis an die Tür des Hauses begleiten. Ein letzter Händedruck, und er trat missmutig den Heimweg zur Herberge an.
Wie konnte dieser Felipe ihn nur zu einer solchen Dummheit überreden wollen? Er fühlte sich benutzt. Zum Glück hatte er das Spiel durchschaut. Nun, morgen in aller Frühe würden sie aufsatteln, denn es hatte wenig Sinn, noch länger in Narbona zu verweilen. Vielleicht sollten sie sich im Frühjahr auf den Weg nach Aquitanien machen. Oder nach Kastilien reiten, um König Alfonso gegen die Mauren zu helfen. Die Welt war schließlich groß genug, sagte er sich mit einem Achselzucken, und ein gutes Schwert war überall willkommen.
***
Severin sah die Dinge völlig anders.
»Du willst dich also davonmachen, wenn wir gebraucht werden?«, rief er entrüstet. Es war später Nachmittag, und sie waren dabei, die Pferde zu striegeln.
»Ich habe es dir nun schon dreimal erklärt, du Rindvieh«, knurrte Arnaut gereizt. »Es ist wenig ratsam, seinem Lehnsherrn die Braut zu entführen. Noch dazu dem Fürsten von Tolosa,
mon Dieu!
Geht das nicht in deinen dicken Schädel rein?«
»Aber sie will ihn doch gar nicht.«
»Was eine Frau will, hat wenig Bedeutung. Wenn ihre
familia
so entscheidet, hat sie zu gehorchen.«
»Sie ist eine Fürstentochter und kein Bauerntrampel.«
»Das ändert nichts an der Sache.«
Amir riss den Kopf hoch und stampfte mit den Hufen. Das hitzige Gerede behagte ihm gar nicht.
»Ruhig, Alter.« Arnaut strich ihm besänftigend über den langen Hals. Aber erst eine Handvoll Haferkörner stellten den Hengst wieder ruhig.
»Was sind denn das für Töne?«, ereiferte sich Severin. »Bist du jetzt der
pater familias?
Selbst dein Großvater spricht nicht so.«
»Du hast gut reden! Du bist doch der, der immer klagt, dass ich mich dauernd in irgendeine Dummheit stürze. Und recht hast du. Diesmal habe ich eben vorher nachgedacht. Die Sache ist viel zu heiß. Außerdem wollten die mich nur vorschicken, weil sie es selbst nicht tun wollen. Deshalb reiten wir heim!«
Arnaut entfernte die Pferdehaare aus der Bürste und gab seinem Hengst einen liebvollen Klaps auf die Kruppe.
»Hast du kein Herz?«, versuchte es Severin aufs Neue. »Sie braucht uns. Wie kann dich das kaltlassen?«
»Du bist wohl in sie verliebt«, scherzte Arnaut.
»Quatsch kein dummes Zeug.«
Lachend warf Arnaut die Bürste nach seinem Freund, der sich im letzten Augenblick wegduckte. Jetzt wurde auch die Stute unruhig und wieherte gereizt.
»Hör auf, du machst die Pferde scheu«, brummte Severin.
Sie warfen den Tieren einige Gabeln Heu vor die Füße und verließen den Stall.
»Eigentlich ist er doch gar nicht dein Lehnsherr«, sagte Severin auf dem Weg in die Schenke.
»Wie meinst du das?«
»Rocafort schuldet Alfons die Treue, das ist wahr. Aber dein Vater ist aus dem Geschlecht der von Peirapertusa. Die gehören doch zu Narbona, oder?«
»Und wenn schon«, erwiderte Arnaut, dem dieser Disput langsam zu viel wurde. »Wir kehren heim und jetzt Schluss mit dem Gerede!«
Arnaut hatte sich schon immer eher zur Familie Montalban hingezogen gefühlt als zu der seines Vaters. Mit den Verwandten von Peirapertusa hatte er wenig gemein. Manchmal konnte es mit den ererbten Verpflichtungen recht verwickelt werden. Ehe man sichs versah, schuldete man zwei Herren die Treue.
In einiger Verwirrung folgte er seinem Freund in den Schankraum. Sie setzten sich in ihre gewohnte Ecke.
»Ich möchte den Jungen mitnehmen«, sagte Severin, nachdem sie bestellt hatten und zwei Becher des
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