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Die Comtessa

Die Comtessa

Titel: Die Comtessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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über den Kopf gezogen, standen auf wackeligen Steinen und schöpften glasklares, eisiges Wasser über Gesicht und Brust. Dabei johlten und lachten sie, schüttelten sich wie junge Hunde.
    »In dieser Kälte! Seid ihr verrückt?« Felipe stand auf der sanften Böschung und starrte sie entgeistert an.
    »He, du siehst so trocken aus!«, lachte Arnaut und warf ihm eine Handvoll Wasser ins Gesicht. Da stürzte Felipe sich mit Geheul ins Bachbett, und bald spritzte es in alle Richtungen. Triefend und außer Atem traten sie schließlich den Rückzug an. In der Scheune, während sie sich trockenrubbelten, bewarfen sie sich mit höhnenden Scherzworten statt mit Wasser. Auch Raimon bekam seinen Teil davon ab, so dass er sich zum ersten Mal als ebenbürtiges Mitglied der Gruppe fühlte. Jori lachte ausgelassen.
    In trockenen Kleidern und mit glühenden Wangen standen sie später neben Ermengarda in der Kapelle, um am
laudes
der Mönche teilzunehmen. Nach Hymnen, Morgenpsalmen und Vaterunser bat Prior Berard Gott den Herrn um Seinen Schutz auf der bevorstehenden Reise und um gutes Gelingen für Ermengardas Vorhaben. Dann segnete er sie alle.
    Fraire
Aimar führte eine gesattelte Stute aus dem Stall, ein feingliederiges Reittier, ohne Zweifel auch dieses aus Rocaforts Zucht.
    »Ich komme mit«, sagte er zu Arnauts Überraschung. »In der Nacht habe ich versucht, den Brief aufzusetzen. Aber dann kam es mir in den Sinn, wie jung ihr doch alle seid. Wie kann ich euch da allein reiten lassen?«
    »Wir werden es schon schaffen.«
    »Die Reise gewiss. Aber wie werdet ihr die Höflinge des Grafen überzeugen, die hohen Räte und Bedenkenträger? Ermengarda braucht einen Berater. Ihr Anliegen ist zu wichtig.« Er legte Arnaut die Hand auf die Schulter. »Außerdem, dein Großvater, den ich liebe, würde es mir nicht verzeihen, wenn ich dich in so einer Sache alleine ziehen ließe.«
    »Ach was! Du musst das nicht tun.«
    »Ich schulde es der
familia.
Ihr wart immer mehr als gut zu mir. Dies ist eine Gelegenheit, meinen Dank zu zeigen.«
    Für den langen Weg stifteten die frommen Männer Schafskäse, harte Wurst und Trockenfleisch als Wegzehrung, dazu eine Notration Hafer für die Tiere. Und für die kalten Nächte im Gebirge verteilten sie Handschuhe, Schafspelze und warme Wollmäntel aus eigener Herstellung. Auch drängte ihnen Prior Berard alles Silber auf, das die Mönche besaßen. Pferde und Maultiere wurden beladen, Felipes hübschen Zelter nutzten sie als weiteres Packtier.
    Nachdem sich die jungen Ritter gerüstet und ihre Waffen geprüft hatten, erschien Ermengarda in ihren Männerkleidern, immer noch unbeholfen in dieser Aufmachung.
    »Sie sieht heute anders aus«, raunte Severin den anderen zu.
    »Die Haare«, flüsterte Jori.
    »Hast du die Haare abgeschnitten?«, rief ihr Felipe zu.
    Ermengarda wurde rot. »Sieht es hässlich aus? Sagt es mir lieber gleich!«
    »Nein!«, beteuerten sie ganz ernsthaft im Chor. Dann musste Felipe lachen. »Na wenigstens nimmt man dir jetzt den Knappen ab, bei diesem Schnitt.«
    Sie streckte ihm die Zunge raus. »War ja auch die Absicht.«
    Arnaut wurde langsam unruhig. Die Tolosaner waren gewiss seit dem Morgengrauen unterwegs, um sie zu suchen. Etwas sagte ihm, es war höchste Zeit, sich auf den Weg zu machen.
    Doch Prior Berard wollte nichts davon hören. Im
refectorium
mussten sie eine letzte stärkende Mahlzeit einnehmen. Bruder Koch fuhr mächtig auf, gebratene Eier mit Schinken und Kräutern, krustige Brotlaibe, in Essig eingelegten Kohl und Herbstobst aus dem Garten. Dazu verdünntes Bier aus dem Keller.
    »Heute ist Freitag«, sagte der Prior, »und da ist natürlich Fasten angesagt. Doch Gott wird es uns nachsehen, denn für die Reise müsst ihr euch stärken.« Dabei langte er selber kräftig zu. »Bruder Loris wird euch auf den Weg bringen«, sagte er mit vollen Backen und stellte ihnen einen jungen Mönch vor. »Er ist in der Gegend aufgewachsen und kennt jeden Weg und Steg. Er wird euch über versteckte Pfade führen und so die Straßen meiden.«
    »Wir sollten aufbrechen«, erinnerte Arnaut, aber
Paire
Berard ließ sich nicht drängeln. Er erhob sich und erging sich in einer wohltönenden Rede über die noble Vizegrafschaft von Narbona, die Ehre, die ihnen die junge
vescomtessa
erwiesen habe, freundliche Abschiedsworte für den geliebten Bruder Aimar.
    Doch plötzlich wurde er rüde unterbrochen. Der Hufschlag vieler Pferde tönte laut im Hof des Klosters, Männerstimmen,

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