Die Comtessa
Wasser. Die Bauern klagen, sie würden mehr Steine als Feldfrucht ernten.«
Wenn Arnaut so unbeschwert lachte, leuchtete sein Gesicht, und er sah wie ein spitzbübischer Knabe aus. Einer, dem man am liebsten die Finger in die dunklen Locken stecken möchte, dachte sie. Ein wenig erinnerte er sie an ihren geliebten Bruder Aimeric, der ebenso groß und stattlich gewesen war.
An einem Wäldchen verlangte sie verlegen, dass man anhielt. Ohne weitere Erklärung sprang sie vom Pferd und verschwand hinter hohen Büschen, drang tief ins Unterholz ein, wo sie niemand beobachten konnte. Das war das Peinlichste an dieser Reise. Männer stellten sich einfach an den Wegrand. Sie dagegen musste sich hinhocken, ihren Hintern entblößen, immer in der Furcht, man könnte sie in dieser lächerlichen Haltung beobachten. Und dann die unbequemen Beinkleider, die ihr die Haut wund scheuerten.
»Hör auf zu grinsen«, fuhr sie Felipe an, als sie wieder aus dem Wald kam.
»Hab ich gegrinst, Leute?«, fragte der entrüstet in die Runde.
Verärgert stieg sie auf den Wallach. Ihrem fürstlichen Rang entsprechend verhielten sich alle respektvoll genug. Nein, es war mehr als Respekt, denn in Wahrheit waren sie liebevoll hilfsbereit und ständig um ihr Wohl besorgt, das musste sie zugeben. Trotzdem ließen die jungen Kerle es nicht aus, ihr auf versteckte Weise ihre männliche Überlegenheit unter die Nase zu reiben. Das hatte schon mit Felipes zahmen Gaul begonnen. Als könne sie nicht reiten. Und Arnaut erst. Der hatte immer so ein freundlich überlegenes Lächeln auf dem Gesicht, wenn er mit ihr sprach. Und wie er sie bei der Arena behandelt hatte, war ihr noch gut im Gedächtnis geblieben. Männer scheinen sich immer wie Gockel auf dem Hof aufführen zu müssen, dachte sie wütend.
Aber dann erinnerte sie sich, wie waghalsig sich die beiden den
soudadiers
entgegengeworfen hatten, um allen anderen Zeit zur Flucht zu geben. Sie hätten sterben oder verwundet werden können, wie der arme Raimon. Sie biss sich auf die Lippen. All dies geschah schließlich nur ihretwegen. Da nahm sie sich vor, ihren jungen Gefährten das großspurige Gehabe nicht allzu übelzunehmen, zumal sie von ihren eigenen Brüdern, Gott hab sie selig, Schlimmeres gewohnt war. In jedem Fall aber war sie entschlossen, sich den Männern ebenbürtig zu erweisen. Denn wollte sie eines Tages über Narbona herrschen, war es gut, sich gleich darin zu üben.
Bei einer alten Bauernkate machten sie Rast, aßen von ihrer Wegzehr und baten um Wasser aus dem Brunnen im Hof. Die Bäuerin ließ sie gewähren, aber trieb eiligst Hühner und Gänse in die Scheune, als habe sie Angst, man würde sie bestehlen. Überhaupt wunderte sich Ermengarda über die verschlossenen Mienen und furchtsamen Blicke des Landvolks, denen sie begegneten.
»Es ist nicht wie in der Stadt, wo die
militia urbana
für Ordnung sorgt«, beantwortete
Fraire
Aimar ihre Frage. »Auf dem Land streunt viel herrenloses Gesindel herum. Vor allem Soldaten treiben es schlimm, nehmen sich ungefragt, was sie brauchen. Wen wundert es, wenn man um Fremde, besonders Bewaffnete wie wir, einen möglichst weiten Bogen macht.«
»Aber schützen die Gutsherren und Barone nicht ihre eigenen Bauern? Sie brauchen sie doch.«
»In der Regel schon. Aber viele, besonders die großen Herren, leben lieber in der Stadt und zeigen sich nur, um Abgaben einzutreiben. Selbst das überlassen sie gern ihrem Verwalter. Der Bauer hat es nicht leicht. Alle leben von seiner Mühe, alle plündern ihn aus.«
»Und wie kann man das ändern?«
»Ändern?«, rief er erstaunt und musste unwillkürlich über Ermengardas jugendliche Arglosigkeit lächeln. »Ach, herrje! Wenn man erst einmal mit dem Ändern anfangen würde, da gäbe es reichlich zu tun. Aber wo selbst die Geistlichkeit …« Er schüttelte den Kopf und seufzte. »Ich meine nicht die kleinen Klöster wie Fontfreda. Dort mühen sich die Brüder, und sie fallen niemandem zur Last. Im Gegenteil, sie helfen den Armen, wo sie können, und an ihnen kann man sich ein christliches Beispiel nehmen. Aber die reichen Äbte und Bischöfe … die sind nicht besser als andere abwesende Grundbesitzer, eher noch schlimmer. Sie schwelgen in Pomp und Überfluss, während sie das Volk ausbluten, wo sie können. Eben das macht es ja den Wanderpredigern so leicht, Anhänger um sich zu scharen, wenn sie von Jesus reden, von seinem bescheidenen Leben und wie er sich um jeden Einzelnen im Volk gekümmert
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