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Die Comtessa

Die Comtessa

Titel: Die Comtessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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Beziehungen entlang der ganzen Küste, und wichtigstes Glied des Bundes war immer Narbona. Deshalb ist mein Rat, vergesst erst einmal die Trencavels und Guilhem von Montpelher. Obwohl sie mit den Katalanen verbündet sind, haltet Euch lieber an Ramon Berenguer selbst. Reitet also nach Barcelona. So eifrig auch die Hunde bellen, man muss den Bären wecken, um den Wolf zu vertreiben.«
    Ermengarda lächelte über dieses Bild.
    Doch dann schielte sie zu Felipe und Arnaut hinüber und seufzte entmutigt. »Aber was habe ich dem Grafen von Barcelona schon zu bieten? Wird er mir überhaupt glauben und auf mich, ein Mädchen, hören?«
    »Natürlich wird er das. Ihr unterschätzt Eure Bedeutung, Herrin. Aber, wenn Ihr wollt, will ich noch heute Abend in einem ausführlichen Schreiben die Lage darlegen und meine Empfehlung ausdrücken.«
    Plötzlich grinste er augenzwinkernd. »Außerdem werdet Ihr das Gespräch von ganz Barcelona werden, denn Euer Abenteuer ist doch wirklich zu köstlich. Dem Grafen von Tolosa im letzten Augenblick noch vom Teller gehopst. Verzeiht mir den Ausdruck.«
    »Dem Grafen vom Teller gehopst!« Da musste auch Ermengarda herzlich lachen. Es war wie eine Befreiung nach der Anspannung der letzten Tage.
    Und so beschloss man, dass sie und ihre jungen Begleiter sich gleich am nächsten Morgen auf den Weg nach Barcelona machen würden. Mit Glück würden sie die gewaltigen Bergmassen des Pireneus noch vor dem ersten Winterschnee überqueren können.
    Nach der Vesper aßen sie mit den Mönchen in einer bescheidenen Halle, die als
refectorium
diente, und bei Sonnenuntergang, nach dem Abendgebet, rüsteten sie sich für die Nachtruhe. Während Prior Berard seine Kammer Ermengarda überließ, legten sich Jori und die jungen Männer in Decken gerollt in der Scheune zu den Pferden ins Stroh. Severin schlief wie immer gleich ein. Die anderen flüsterten noch ein wenig über die bevorstehende Reise, doch bald fielen einem nach dem anderen die Augen zu, hatten sie doch in den vergangenen Nächten kaum geschlafen. Und so mischten sich die tiefen Atemzüge der Schläfer mit dem gelegentlichen Schnauben der Tiere oder den leisen Geräuschen der heukauenden Pferdekiefer.
    Nur Arnaut wälzte sich von einer Seite zur anderen.
    Er durchlebte im Geist die abenteuerliche Flucht aus dem Palast und sandte ein inbrünstiges Dankgebet an die Heilige Jungfrau, denn wie leicht hätte es anders ausgehen können. Seine Mutter Adela hatte ihm schon als Kind eingebleut, dass die
familia
von Rocafort den besonderen Schutz der Jungfrau genoss, solange sie täglich am Ende des Tages zu ihr beteten, eine Familientradition, die schon die Großmutter begründet hatte, vor langer, langer Zeit im Heiligen Land. Dass das Kloster Fontfreda der Jungfrau Maria geweiht war, wertete er als ein gutes Zeichen für die kommende Reise.
    Trotzdem war er aufgeregt. Im Herbst über die Berge und bis nach Barcelona,
mon Dieu!
Das war schon der halbe Weg bis ins Maurenland. Und dann dachte er an Ermengarda, wie sie ihn angesehen und bei der Hand genommen hatte. Diesen Augenblick hatte er genossen. Er war nur ein paar Jahre älter und fühlte sich dennoch verantwortlich für sie. Wer weiß, was ihnen unterwegs begegnen würde? Reisen war immer gefährlich. Gesetzloses Gesindel hauste in den Wäldern, Banden trieben ihr Unwesen. In den Bergen musste man sich vor reißenden Tieren in Acht nehmen. Aber zusammen mit Felipe und Severin würden sie mit solchen Schwierigkeiten fertig werden. Raimon wusste er noch nicht einzuschätzen, aber auf Felipe konnte man sich gewiss verlassen. Er mochte ihn immer mehr, je länger sie sich kannten.
    Endlich dämmerte er hinüber in einen tiefen Schlaf, und nur einmal war ihm in der Nacht, als hörte er die Mönche singen.
    ***
    Es kam Arnaut so vor, als sei er gerade erst eingeschlafen, als der erste Hahnenschrei ihn aus einem unruhigen Schlummer riss. Benommen fuhr er hoch. Er fühlte sich am ganzen Körper wie zerschlagen. Severin war schon auf den Beinen. »Zeit für dein Morgenbad,
mon velh
«, schmetterte er fröhlich und stapfte aus der Scheune.
    Stöhnend erhob sich Arnaut und folgte ihm. Draußen herrschte Halbdunkel, die Nacht war noch nicht ganz gewichen, und grau und schwer lag der Nebel über dem Kloster, die Luft feucht und doch wie gefroren. Zitternd verschränkte er die Arme vor der Brust, dann nahm er sich ein Herz, rannte hinter Severin her, durch das Tor und hinunter zum Bach. Schon hatten sie die Tuniken

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