Die Comtessa
hat, und nicht nur um die großen Herren.«
Felipe kaute gelangweilt auf einem Stück Käse. Ihm lag nicht viel am Landvolk. Er war ein Mensch der Stadt. Was kümmerte ihn das Los der Bauern.
Doch Arnaut lauschte angeregt der Unterhaltung. »Was hat es mit diesen Predigern auf sich?«, fragte er. »Im Kloster haben sie davon geredet. Ketzer seien es, die die Gegend unsicher machten.«
Aimar nahm sich Zeit, bevor er antwortete. »Es hat schon immer Streit im Ringen um den Glauben gegeben. Und dass manch einer seinen Heiland nachahmt und das Seelenheil in der Armut sucht, ist ebenfalls nichts Neues. Gerade das ist ja einer der Pfeiler unseres Klosterlebens, auch wenn dies über der Gier nach reichen Pfründen und Stiftungen gern vergessen wird. Aber in letzter Zeit scheint die Unzufriedenheit gegenüber Gottes Kirche zuzunehmen.«
»Und warum ist das so?«, fragte Ermengarda.
»Ich glaube, vielen ist das Gezänk und Machtstreben der Kirchenfürsten zuwider. Es scheint immerfort nur um eine Frage zu gehen: Wer regiert die Welt? Kaiser oder Papst?«
»Wie der Erzbischof, der sich in alles einmischen will.«
»Ein gutes Beispiel. Dabei sehnen sich die Menschen nach dem Himmelreich, nach der wahren Heilsbotschaft, die uns Christus lehrt. Liebe deinen Nächsten, lebe ein reines und gottgefälliges Leben, entsage den nutzlosen Gütern und Versuchungen dieser Welt. Davon reden die Wanderprediger. Ist es ein Wunder, dass die Menschen ihnen zulaufen?«
»Wer sind diese
Guten Christen,
wie ein Bruder in Fontfreda sie genannt hat?«, fragte Arnaut.
»Eine neue, heimliche Glaubensgemeinschaft. Sie scheinen einigen Zulauf zu haben. Sogar ein paar Adelige sollen sich ihnen schon angeschlossen haben. Man weiß nicht viel über sie, nur dass sie die reine Lehre predigen und die Mutter Kirche rundweg ablehnen. Nur, was soll es denn bringen, das feste Haus Gottes einzureißen? Daraus kann nur Wirrsal, Elend und Unordnung entstehen. Besser, man verändert die Kirche von innen.«
Es war das erste Mal, dass Ermengarda von solchen Dingen erfuhr.
Paire
Imbert hatte niemals von Ketzern oder Wanderpredigern gesprochen, und
gute Christen
waren sie doch alle, oder? Bei nächster Gelegenheit würde sie Bruder Aimar bitten, ihr das näher zu erklären.
Nach einem langen Tag zu Pferde verbrachten sie die erste Nacht im Freien. Arnaut hatte darauf bestanden, denn er fürchtete, dass die
soudadiers
des Grafen von Tolosa, falls sie ihnen auf der Spur waren, zuerst in den Schenken und Herbergen nach ihnen fragen würden. Selbst auf ein wärmendes Feuer verzichteten sie, fanden eine Lagerstatt tief im Wald zwischen Felsen und Dornenbüschen.
Der jungen
vescomtessa,
wie Aimar sie nun nannte, errichteten sie ein einfaches Zelt und füllten es mit Decken und Schafspelzen. Dabei war es hauptsächlich Felipe, der sich so besorgt um sie kümmerte. Das wunderte Ermengarda. Er sah gut aus, war immer zu Scherzen aufgelegt, zog gern die Blicke auf sich und hatte ein gewandtes, selbstsicheres Auftreten, ohne überheblich zu wirken. Sie kannte ihn seit Jahren, mochte ihn sehr, fühlte sich vertraut in seiner Gegenwart, aber diese fürsorgliche Seite war ihr neu.
Und während sie mit den Decken für ihre Lagerstatt hantierten, berührte er sanft ihre Hand. Dabei sah er sie auf eine Weise an, die sie nicht zu deuten wusste. Es war wie zufällig geschehen, hatte nur einen kurzen Augenblick gedauert. Gewiss täuschte sie sich, und es hatte gar nichts zu bedeuten. Aber ihr Herz schlug plötzlich bis zum Hals.
Im Wald dunkelte es noch früher als unter freiem Himmel, bald konnte man kaum noch eine Hand vor Augen sehen. Eine Weile noch hörte sie Arnaut und Severin miteinander reden. Sie schloss die Augen und versuchte zu schlafen. Aber sie war es nicht gewohnt, auf hartem Boden zwischen Baumwurzeln und Brennnesseln zu liegen. Sie fürchtete sich vor Schlangen und anderem Getier, erschrak vor den Nachtgeräuschen des Waldes und fror trotz der warmen Decken erbärmlich.
Da rief sie Jori, der noch wach war, um ihr Zelt zu teilen. Der Junge zögerte, kroch dann aber zu ihr. Er ist ja nur ein Kind, sagte sie sich, und schlug in den Wind, was die anderen denken mochten. Schließlich hatte sie das Bett nicht selten mit Nina oder ihrem kleinen Bruder geteilt, wenn die beiden sich in der Nacht gefürchtet hatten.
Jori fiel bald in tiefen Schlaf. Die Nähe seines jungen Leibes wärmte Ermengarda ein wenig, und seine gleichmäßigen Atemzüge legten sich wie Balsam
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