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Die Comtessa

Die Comtessa

Titel: Die Comtessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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Priesteramt tauge ich nicht viel. Aber Bücher und Reisen sind meine Leidenschaft. Ich war in Carcassona, Tolosa, Paris, Montpelher und Marselha. Ja sogar in Toledo und Compostela. Ich habe die Schriften unserer Kirchenväter studiert und in Spanien die Übersetzungen der alten Philosophen aus dem Arabischen gelesen.«
    »Und was habt Ihr aus alldem gelernt?«
    Aimar hatte gemerkt, dass Ermengarda weder mit Kirchenvätern noch mit Philosophen viel anzufangen wusste.
    »Denkt Ihr, wie Arnaut, dass es nutzlos ist, sich mit Büchern zu beschäftigen?«, fragte er scherzhaft.
    »Ich glaube nicht, dass er das denkt. Er wollte sich nur ein wenig lustig über Euch machen.« Sie wusste nicht, warum sie das Bedürfnis hatte, Arnaut zu verteidigen. »Ohne ihn würden wir jetzt nicht miteinander reden.«
    »Ich weiß.«
Fraire
Aimar lächelte. »Arnaut ist der Stolz seiner Mutter. Und eines Tages wird er gewiss das Erbe seines Oheims antreten, als
castelan
von Rocafort. Aber um auf Eure Frage zurückzukommen, Herrin, ich habe vor allen Dingen gelernt, dass im Angesicht Gottes alle Menschen gleich sind, ob arm oder reich, mächtig oder schwach, gleich ob Christ, Jud oder
sarasin.
Wir sind alle Seine Geschöpfe.«
    »Auch die Sarazenen? Die glauben doch nicht an Gott, und sie sind unsere Feinde.«
    »Auch sie glauben an Gott, wenn auch auf andere Weise. Und was solche Feindschaften angeht … es wird gern von Heiligen Kriegen geredet. Aber am Ende geht es doch nur um neue Reiche, um Land und um Geld. Das ist auch, was ich gelernt habe. Alle Menschen streben nach den gleichen Dingen, wo auch immer, ob Landmann, Ritter oder Fürst.«
    »Nur nach Reichtum?«
    »Nein, natürlich nicht. Und wenn, dann eigentlich nach dem, was sie glauben, damit kaufen zu können. Macht, Sicherheit, Zufriedenheit, ein wenig Glück. Und am Ende das Seelenheil. Manche geben kurz vor dem Tod die Hälfte ihres Vermögens an die Klöster, um sicher zu sein, ins Paradies zu gelangen. Es ist die Angst, die sie großzügig macht.«
    Was Bruder Aimar da sagte, gefiel Ermengarda nicht. Das war ihr eine zu nüchterne, abgeklärte, ja fast abschätzige Sicht des Menschen. Sie, die sich oft einsam im großen
palatz vescomtal
gefühlt hatte, die ohne Mutter und Vater herangewachsen war, sehnte sich nach Gemeinschaft, Wärme und menschlicher Nähe. Ein wenig davon begann sie auf dieser seltsamen Reise durch die Wildnis zu verspüren. Die Gemeinschaft der jungen Gefährten.
    »Ihr vergesst Freundschaft«, sagte sie. »Und die Liebe der Eltern für ihre Kinder. Ja überhaupt … was ist mit der Liebe?«
    Aimar warf ihr einen listigen Blick zu, unter dem sie errötete. Warum hatte sie das nur gesagt? Sie fühlte sich durchschaut. Trotz seiner freundlichen und verschmitzten, blauen Augen hatte Aimar so einen Blick, als könne er die Tiefen der Seele ergründen.
    »Ach, die Liebe«, sagte er mit einem Funkeln in ebendiesen Augen. »Von ihr wird viel geredet und noch mehr gesungen. Aber ob sie den Menschen wirklich erfüllt? Nun, in jedem Fall ist sie das Vorrecht der Jugend.«
    Er deutete lächelnd mit dem Kopf auf die jungen Männer, die vor ihnen ritten. »Da üben sie ihr halbes Leben, um in der Schlacht zu bestehen. Wäre es nicht besser, sich mit den Lehren der Philosophen zu beschäftigen? Und wenn sie sich schon Pfeilen aussetzen müssen, wie unser Freund Raimon gestern, dann doch lieber den Pfeilen Cupidos, oder?«
    Er lachte herzlich über sein Wortspiel. »Sagt nicht der Dichter:
Wer für den Krieg taugt, taugt auch für die Liebe?
«
    Bei diesen Worten spürte Ermengarda das verbotene Büchlein unter ihrer Tunika, ja, es brannte ihr geradezu auf der Haut, denn sie erkannte das Zitat.
Quae bello est habilis, Veneri quoque convenit aetas.
Und noch besser hatte ihr etwas weiter eine andere Stelle gefallen, obwohl unerhört schamlos:
Aus den Jahrgängen, die Feldherren bei tapferen Kriegern bevorzugen, sucht sich auch ein schönes Mädchen ihren Begleiter.
Las der Mönch etwa Ovid? Schlimmer noch … las er in ihren Gedanken? Sie spürte die heiße Röte auf ihren Wangen und wagte kaum aufzuschauen.
    »Es tut mir leid,
Domina.
« Aimar hatte bemerkt, dass seine Worte vielleicht etwas zu forsch gewesen waren. »Reden wir nicht von jungen Kriegern. Vielleicht möchtet Ihr lieber von Meister Abaelardus und seiner Heloise hören.«
    Und so erzählte er zu ihrem großen Vergnügen die Geschichte dieser beiden Liebenden. Abaelardus war Heloises Lehrer gewesen, sie

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