Die Comtessa
über ihre Ängste. Auch versuchte sie, nicht mehr an Felipe zu denken.
***
Wieder graute der Morgen nebelig und kalt. Klamm und feucht war es unter der Zeltplane, als Ermengarda aufwachte und sich nach Jori umsah. Sie entdeckte ihn mit Severin bei den Pferden. Der Atem der Tiere bildete Dampfwolken in der eisigen Morgenluft.
»Werd nicht frech, nur weil du bei der Herrin schlafen durftest«, hörte sie Severin knurren. Das Haar schien ihm heute Morgen noch mehr als sonst in alle Richtungen abzustehen. Trotz seiner strengen Worte sah sie ihn grinsen und den Jungen in die Wangen knuffen. »Es wird langsam Zeit, dass du dir dein Brot verdienst, mein Lieber.«
Damit reichte er Jori eine Bürste und zeigte ihm, wie man das Fell der Tiere bearbeitete. »Ich bring dir das Reiten bei, und du wirst lernen, was ein rechter Pferdeknecht ist.«
»Wie soll ich reiten, wenn ich kein Pferd habe?«
Severin kratzte sich am Kinn. »Das ist wahr. Da ist das Maultier, aber wir brauchen es als Packtier.«
»Nehmt doch meines«, meldete sich Bruder Loris zu Wort. »Ihr braucht mich nun nicht mehr, und heimkehren kann ich auch zu Fuß.«
»Kommt nicht in Frage«, sagte Arnaut.
Aber Loris ließ nicht mit sich reden. Prior Berard wäre mit Sicherheit einverstanden, sagte er, außerdem handele es sich um ein altes Tier, das nur noch wenig nütze.
»Kein schlechter Tausch«, grinste Felipe. »Euer klappriges Maultier gegen den teuren Zelter, den wir zurücklassen mussten.«
»Oh, wir werden ihn schon gesund pflegen«, versprach Loris. »Sobald es Euch beliebt, könnt Ihr ihn abholen,
Senher
Felipe.«
»Behaltet ihn nur. Mein Geschenk an den Prior, für seine Gastfreundschaft. Meinem Vater wird der Verlust kaum auffallen. Und wer weiß, wann wir zurückkommen.«
Ja, dachte Ermengarda plötzlich voller Wehmut. Wer weiß? Besser nicht über ihre Lage nachdenken, sonst wurde ihr angst und bange.
Nach einem schweigsamen Morgenmahl sattelten und beluden sie die Tiere. Beim Pfad angekommen, dem sie tags zuvor gefolgt waren, erklärte ihnen Bruder Loris den weiteren Weg und verabschiedete sich von ihnen. Ermengarda sah dem kleinen Mönch nach, wie er kräftig ausschritt, sich noch einmal umdrehte und winkte. Dann war er hinter einer Biegung verschwunden.
Sie hielten sich an die versteckten Saumpfade, die den Höhen der Hügel und Berge folgten und nur für Packtiere geeignet waren, denn sie führten oft durch unwegsames Gelände, durch Wald und dichtes Gestrüpp, über steile Felshänge und an Abgründen vorbei. Dennoch waren sie bei Schmugglern beliebt und all jenen, die die Zollstellen in den Tälern zu meiden suchten. In dem Gewirr von schmalen Pfaden konnte man sich leicht verirren, und so manches Mal mussten sie ein Stück des Weges zurückreiten. Dennoch, für den Fall, dass man ihnen immer noch nachstellte, waren sie auf diesen Wegen sicherer.
Ermengarda genoss den Ritt durch die herbstliche Landschaft. Wie am Vortag hatte die Sonne bald den Nebel vertrieben, es wurde wärmer, auch wenn die Luft angenehm frisch blieb. Der Himmel leuchtete in tiefem Blau, die Wälder wetteiferten miteinander in den betörendsten Farben. Auf dem dunklen, kräftigen Hintergrund immergrüner Gehölze flammte das Gelb, Braun und Rot der Laubbäume auf und dazwischen das Grauweiß der Felsbrocken, die so manche Höhe krönten. Fuchs und Reh kreuzten ihren Weg, die Vögel schienen noch einmal alles an Gesang herausschmettern zu wollen, was die Kehlen hergaben, bevor sie bald in wärmere Gefilde entfliehen würden.
Sie konnte sich nicht helfen, Felipe verstohlen zu beobachten. Er war ein guter Reiter, saß fest im Sattel seines grobknochigen, braunen Wallachs. Trotz hellerer Haut erkannte sie in ihm die männlichen Gesichtszüge seines Vaters und verstand plötzlich la Belas Schwäche für den älteren Menerba.
Um sich abzulenken, rückte sie auf, in
Fraire
Aimars Nähe. Auf ihre Fragen hin erzählte er, wie er zu Arnauts
familia
gestoßen war.
»Ich war damals in Arnauts Alter und lebte bei den Einsiedlern von Galamus, nicht weit von Rocafort. Eines Tages schickte mein Prior mich zum
castelan
der nahen Burg,
Senher
Jaufré, das ist Arnauts Großvater. Der brauchte einen Schreiber für sein Testament. Er fand Gefallen an mir, und so bin ich geblieben. Später sandte er mich nach Fontfreda, um bei den Mönchen zu studieren und die Priesterweihe zu empfangen.«
»Dann sollte ich Euch also Pater nennen?«
»Nein, denn geweiht bin ich nicht. Zum
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