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Die Comtessa

Die Comtessa

Titel: Die Comtessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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hätte sie sich auch lebendig begraben gefühlt. Sie warf den Kopf in den Nacken und lachte lauthals, breitete die Arme aus und drehte sich im Kreis.
    »Frei wie ein Vogel bin ich jetzt«, rief sie ausgelassen. »Kann gehen, wohin ich will. Ist das nicht wunderbar?«
    Als er sie so glücklich sah, musste auch
Fraire
Aimar lachen.
    »Darüber sind wir alle froh,
Midomna.
Aber nun ist es besser, wir brechen auf. Auch wenn heute der Tag des Herrn ist, so sollten wir uns nicht schonen. Es ist noch weit bis Castel Nou.«
    Falls man immer noch nach ihnen suchte und falls man sie in Richtung Catalonha vermutete, was eher unwahrscheinlich war, würden die Verfolger sie mit Sicherheit auf der Via Domitia vermuten, dem schnellsten und einfachsten Weg nach Spanien. Auf Bruder Aimars Drängen hatten sie daher verabredet, weiter im Landesinneren bis nach Castel Nou vorzustoßen. Das lag in den Vorläufern des östlichen Pireneus und war bereits katalanisches Gebiet, wo sie fürs Erste sicher sein würden. Später würden sie von dort aus gut vorbereitet und in Ruhe ihren Weg über das Gebirge nehmen können.
    Felipe und Arnaut hatten sich geeinigt, dass jeweils einer von ihnen die Vorhut zu übernehmen hatte, zur Sicherheit in diesen einsamen Gegenden. Felipe besaß ein kleines Jagdhorn aus poliertem Rindshorn. So würden sie die anderen bei Gefahr rechtzeitig warnen können. Heute Morgen war es an Arnaut, vorauszureiten. Er hängte sich das Horn um, band den Helmriemen fest, bestieg Amir, der ausschlug und unruhig tänzelte. Sie waren wohl beide schlechter Laune, dachte er. Er schlang sich den Gurt seines Schildes um die Schulter und preschte ohne ein weiteres Wort davon.
    Severin sah ihm kopfschüttelnd nach. Langsam setzte sich auch der Rest der Truppe in Bewegung.
    Es lag kein Nebel in den Niederungen, dafür hing der Himmel jedoch grau in grau und feuchtschwanger über den Bergen. Ein kalter Wind riss die Herbstblätter von den Bäumen und trieb sie in wildem Spiel vor sich her. Singvögel, die gestern noch gejubelt hatten, blieben heute stumm, nur die heiseren Schreie der Krähen waren zu hören. Unheimlich wirkten die bewaldeten Höhen.
    Arnaut war es ganz lieb, allein durch den herbstlichen Wald zu reiten. Er war noch immer verstimmt. Worüber genau, war er sich nicht im Klaren. Was sollte es ihn stören, wenn Felipe ihr den Hof machte? War er nicht ihr
champio,
ihr Ritter? Da war es doch nur recht, dass er sich um seine
domna
sorgte, ihr jeden Dienst erwies. Außerdem war er ein Fürstensohn und Arnaut nur der Abkömmling eines unbedeutenden Landbarons.
    Es war schon großartig, dass er überhaupt als Leibgarde der Fürstin von Narbona an diesem Abenteuer teilhaben durfte. Und doch. Wie sehr er sich auch gut zuredete, seine üble Laune vertrieb es nicht.
    Von Zeit zu Zeit, meist auf einer Anhöhe mit freier Sicht, hielt er an. Während er einen Schluck aus dem Wasserschlauch nahm, sah er sich aufmerksam um. Still lag der Wald auf den Hängen, nur der Wind rauschte in den Kronen, und es kam ihm für Augenblicke vor, als sei er der einzige Mensch in Gottes Schöpfung. Bis dann die anderen in Sicht kamen. Kurz winkte er ihnen zu, dann nahm er seinen Weg wieder auf. So ritten sie durch die Berge bis in den späten Vormittag hinein.
    Ermengarda konnte es noch immer nicht recht glauben, dass sie nun von ihren üblichen Zwängen befreit war. Immer hatte jemand sie beaufsichtigt, sie gegängelt und ihren Tagesablauf bestimmt. Mit Ausnahme zur Kirche oder auf die Jagd hatte sie sich kaum irgendwo hinbegeben können, und auch das nur unter Aufsicht und Begleitung von Leibwachen. Nun endlich hielten sie keine Mauern mehr gefangen. Aber ob sie jemals so frei sein könnte wie die Frauen in Ovids Gedichten, die sich Liebhaber nahmen, ganz wie es ihnen passte? Der Gedanke übte einen eigentümlichen Reiz auf sie aus. Aber nein, das kam ihr dann doch zu unerhört und anstößig vor. Das würde sie sich niemals gestatten.
    Dennoch war es berauschend, hier so frei und ungebunden durch den Bergwald zu reiten, an der Seite junger Männer, die sich ihr verschworen hatten und denen sie befehlen konnte, wie es ihr gefiel. Warum nach Catalonha reiten, warum nicht nach Kastilien und Toledo oder gar bis ins Heilige Land? Mit Felipe und Arnaut an ihrer Seite war alles möglich. Und Bruder Aimar, von dem sie so viel lernen konnte. Ihr Großvater war im Heiligen Land gewesen, unter den vielen, die das Grab Christi befreit hatten. Dort war er später

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