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Die Containerfrau

Die Containerfrau

Titel: Die Containerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Smage
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gemurmelten Berichten der Alki-Bande bringen ebenfalls Licht in die Sache. Zwar kein strahlendes, aufklärendes Licht, aber immerhin ein Licht. Die Untersuchungshaft wird verlängert. Das Motiv ist unklar, es scheint sich vor allem um einen Wutausbruch zu handeln, weil jemand »Scheiß über sie geredet hat, als sie ihre Leute gesucht hat«, wie jemand von der Trinkerbande das ausdrückt. Die Mordwaffe ist nicht gefunden worden.
    Das Messer.
    Es hätte einen Monat später gefunden werden können, als die Stadt Trondheim in Person des Forstdirektors die Aufräumarbeiten fortsetzt, die die vielen in den Stürmen nach Weihnachten umgestürzten Bäume nun einmal verlangen. Zuerst hatte die Forstbehörde Bäume entfernt, die über Wegen und anderen Verkehrsadern lagen, dann machten sie sich über die weniger oft aufgesuchten Stellen her. Der Abdruck eines Mannes und einer Frau im Moos fiel dabei niemandem auf. Was auch kein Wunder war, denn er war schon längst verschwunden. Aber den Baum fanden sie, einen riesigen Baum, der halbwegs in die Luft ragte, halbwegs auf dem Boden lag. Um die nackten Wurzeln hatte sich eine kleine, aber tiefe Lache gebildet. Stillstehendes, wie Öl glänzendes Moorwasser, über dem Insekten herumschwirrten. Aber unten im Kolk lag ein in eine löchrige Plastiktüte gewickeltes Messer. Und es lag gut dort. In tausend Jahren könnte es vielleicht als Beweis für eine Besiedlungsstelle gerade dort gelten. Die Archäologen könnten sehr viele Deutungen vorbringen. Ohne auf Widerspruch zu stoßen.
    Doch noch viele Jahre hindurch sollte das Messer im Moorkolk im Wald bei Trondheim eine ewig aktuelle Ursache für etwas sein, das wie Schamröte auf den Wangen von Anne-kin Halvorsen aussieht. Es lässt sich nicht verdrängen. Das Messer. Und selbst wenn sie denselben Weg hundertmal abgeht, immer den Blick fest auf den Boden gerichtet, so findet sie es doch nie. Und der Gedanke, die einzuweihen, die sie eigentlich einweihen müsste, wird immer unerträglicher. Der »Indianer« erwähnt das Messer nie wieder, verliert kein Wort über den Besuch der Bullenfrau oben bei seinem Bau. Auch Anne-kin schweigt. Und der Polizist, Veteran-Aasen, der den Bau des »Indianers« menschenleer vorgefunden hatte, macht auch kein großes Aufheben. Er hatte einen Tipp erhalten, gekauft. Aber der Vogel war ausgeflogen, und damit hatte es sich. Misserfolge gehören mit zum Spiel.
     
    Der Anwalt der Kleinen hat dagegen gute Karten. Nicht zuletzt, weil der klapperdürre, kindlich aussehende Teenie hoch und heilig beteuert, dass sie weg will, raus aus diesem beschissenen Leben, das sie geführt hat. Dass sie einen neuen Anfang machen will. Ehrenwort.

47
    Der Kapitän ist vielleicht nervös, schweigsam ist er sicher. Sagt kein Wort, öffnet nicht einmal den Mund, um das Mineralwas ser zu trinken, das sie ihm serviert haben. Und die beiden mittleren Chargen hatten verängstigt ausgesehen, denkt Anne-kin. Hatten nur den Kopf geschüttelt, ihre Fäuste betrachtet und geschwiegen, einfach nur geschwiegen. Alle sitzen jetzt in Untersuchungshaft, wegen Vernichtung von Beweismaterial. Die Ermittlungsleitern war großzügig. Die Verhöre, genauer gesagt, die Monologe und die Fragen der Ordnungsmacht an die Verhörsobjekte, waren zahlreich und allesamt gleichermaßen ergebnislos.
    Aus keinem ist auch nur ein Laut herauszuholen. Ihre Auftritte wirken wie eine Demonstration zäher Ausdauer. Keiner ist vorbestraft, abgesehen von Schiff und Kapitän zwei Jahre zuvor. Ursache: engere Maschenweite als zulässig. Buße bezahlt. Das Bewegungsmuster des Schiffes ist im Grunde das eines typischen Trawlers. Sie haben durchaus im Schlupfloch gefischt. Zusammen mit den isländischen Wikingernachkommen. Haben um den besten Monatslohn gewetteifert. Die Behörden zu Hause konnten noch etwas berichten, was im hohen Norden nicht ganz ungewöhnlich war. Touren über die Grenze, nach Nikel, Murmansk. Nicht mit dem Schiff, sie hatten dasselbe getan wie so viele andere nach Öffnung der Grenzen, hatten Bus oder Wagen genommen, um die nächsten Nachbarn zu begrüßen. Nicht weiter ungewöhnlich. Waren sie registriert worden, hatten sie damit zu tun, hatten sie das Angebot, das per Busladungen aus dem Osten kam, auf irgendeine Weise genutzt? Meinte die Trondheimer Wache hier die Wochenendbusse voller Frauen, die in Skipagurra und Tana eintrafen? Sie glauben, das schiefe Grinsen fast zu hören, mit denen der Kollege sie bittet, einen Blick auf die Karte zu

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