Die Containerfrau
Hals. Sie straffen sich. Kollege Vang dagegen muss sich die Nase putzen, um die Aufmerksamkeit von seiner Reaktion abzulenken. Jetzt ist Halvorsen endlich in Gang, denkt er, wenn auch ein wenig nervös. Denn seine Schnurrhaare sagen ihm, dass sie etwas weiß, was er nicht weiß.
»Sie als Fischer, als Seemann, können mir sicher erzählen, was passiert, wenn ein Schiff die unsichtbare Grenze im Meer passiert? Die zwischen zwei Ländern?« Mindor Hansen schweigt, er will ihr absolut rein gar nichts erzählen.
»Ich begreife nicht, wie ich jemals gegen die NATO sein konnte«, sagt Anne-kin Halvorsen an Vang gerichtet. »Die haben doch diese Awacs-Flugzeuge, die mir unter anderem erzählen können, wo Stein-Jørgen in seinem Urlaub im hohen Norden fischt. Damit ich ihn unter Kontrolle habe.« Kollege Vang klappt das Kinn nach unten. Für einen Moment. Eine Sekunde darauf geht ihm auf, dass endlich die schon längst erbetenen Informationen eingetroffen sind. Von einer »Nato«, die offenbar Herbstferien hatte, die auf Elchjagd gegangen war. Jedenfalls hatten sie bisher auf ihre Fragen hin nur die ungefähren Positionen erhalten. Die NATO hat Wichtigeres zu tun, als der norwegischen Dorfpolizei zu helfen, hatte Anne-kin gesagt, als die Informationen auf sich warten ließen. Ein rascher Blick hinüber zu ihr, und Vang weiß, dass sie blufft. Halvorsen verfügt nicht über einen Zipfel mehr an Information als er. Die Frau spielt hoch. Zufrieden lässt er sich auf seinem Stuhl zurücksinken.
Im Kopf des Kapitäns wird jetzt energisch Gedankenarbeit geleistet, Kommissarin Anne-kin Halvorsen geht davon aus, dass er hin und her kalkuliert. Sind das hier Informationen, die die Polizei sich auf dem Dienstweg beschafft hat, oder existieren diese »Zeugenaussagen« wirklich? Sie lässt ihm nicht lange Zeit zum Grübeln.
»Wir wissen, dass Ihr Schiff auf offener See drei Frauen an Bord genommen hat, unmittelbar außerhalb der norwegischen Gewässerzone. Wenn Sie höflich fragen, dann erzählen wir Ihnen auch, wie das russische Schiff geheißen hat.« Der Mann vor ihr lässt seinen Blick durch die Gegend irren, seine Muskeln, nein, die Adern an seinem Hals schwellen an.
»Soll ich die Reise für Sie beschreiben? Nach der Erinnerung der einen, die noch lebt? Soll ich? Irina Sverdlowska hat den beiden anderen fast all ihr Essen gegeben und Tee oder Kaffee oder was immer sie an Bord bekommen haben, hat sie nicht getrunken, sie …« hat vom Wasserhahn getrunken, will Annekin sagen, schweigt aber. Sie hat doch keine Ahnung, ob die Kajüte, in der die Frauen eingesperrt waren, einen Wasserhahn aufwies, ob sie überhaupt eine Kajüte hatten, sie weiß nicht, ob es so war. Aber der Kapitän weiß es auch nicht. Und offenbar liegt sie nicht gar zu sehr daneben, der Mann ist kreideweiß im Gesicht.
»Aber«, sagt sie dann mit seidenweicher Stimme. »Davon wissen Sie nicht viel, denn nicht Sie haben die Mahlzeiten serviert. Irina Sverdlowska sagt, dass immer ein junger Mann das Essen gebracht hat, der Jüngste an Bord, Joakim Hansen.«
»Was zum Teufel hat der Joakim sich da aus den Fingern gesogen, was zum Henker redet dieser Wirrkopf da für Quatsch?« Er versucht die Angst in seiner Stimme wie Wut klingen zu lassen.
»Joakim Hansen?«, fragt Anne-kin. »Nein, Joakim Hansen hat nicht viel gesagt, was er in seinen Fieber- und Narkosefantasien von sich gibt, weiß ich natürlich nicht, aber …«
»Was für Fieberfantasien?«, fällt der Mann gegenüber ihr ins Wort.
»Ach? Wissen Sie das denn noch nicht?« Sie schüttelt verständnislos den Kopf. Schaut ihn aus unschuldigen Augen an.
»Es haben sich ernsthafte Folgeschäden eingestellt, nachdem er von einem Türsteher niedergeschlagen worden ist, große innere Verletzungen, und deshalb liegt er im Krankenhaus. Soll ich von Ihnen grüßen?«
»Miststück«, hört sie so leise, dass Vang die Worte des Mannes sicher nicht verstanden hat.
»Was haben Sie gesagt?«, fragt Kommissarin Halvorsen leise. »Mir scheint, Sie haben sich soeben der Beleidigung einer Beamtin im Dienst schuldig gemacht, und das wird Ihnen für ziemlich viele Tage gratis Kost und Logis sichern.«
Sie lugt zu Vang hinüber, der sich alle Mühe gibt, normal auszusehen. Er sieht nicht für eine Sekunde normal aus, und wenn er ein Kater wäre, dann würde er jetzt schnurren.
»Also«, sie rutscht näher an den Mann heran, der ihr gegenübersitzt. Und bebt. Jetzt sieht sie ganz deutlich, dass er bebt. Als wenn
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