Die Corleones
reckte den Hals, um den Mann anzuschauen, der ihn festhielt. Durch die Serviette nuschelte er: »Tommy!«
»Ist nicht persönlich gemeint, Joe«, sagte Tomasino, während Tessio eine Garrotte aus der Tasche seines Jacketts zog und den dünnen Klavierdraht vor Giuseppes Gesicht anspannte.
»Inzwischen überlasse ich die Drecksarbeit eigentlich anderen«, sagte er und trat hinter Mariposa. »Aber für dich mach ich eine Ausnahme.« Er legte Mariposa den Draht um den Hals, langsam zuerst, damit er das kalte Metall auf seiner Haut spüren konnte. Dann ließ Tomasino Mariposa los, und Tessio zog den Draht straff an, während er gleichzeitig das Knie von hinten gegen Giuseppes Stuhl stemmte. Giuseppe strampelte mit den Beinen und trat dabei gegen den Tisch, so dass ein Gedeck auf den Boden krachte, bevor der Draht ihm die Gurgel durchtrennte und sich eine Blutfontäne über die weiße Tischdecke ergoss. Sein Körper sank in sich zusammen, und Tessio versetzte ihm noch einen letzten Stoß. Mariposa kippte vornüber und landete mit dem Kopf auf seinem Teller, der sich rasch mit Blut füllte, bis er aussah wie eine Schüssel mit roter Suppe.
»So schlimm, wie alle immer behauptet haben, war er gar nicht«, sagte Tomasino. Er zog sein Jackett glatt und strich sich übers Haar. »Ich hoffe, Don Corleone wird meine Kooperation als Zeichen meiner Loyalität ihm gegenüber werten.«
»Sie werden feststellen, dass Vito ein Mann ist, für den es sich gut arbeitet«, erwiderte Tessio. Er deutete zur Tür, und Tomasino ging hinaus.
Tessio goss Wasser auf eine Serviette und versuchte, einen Blutfleck auf seinem Ärmelaufschlag auszureiben. Als es dadurch nur schlimmer wurde, zog er das Jackett über die Manschette. In der Tür drehte er sich ein letztes Mal zu Mariposa um, der vornübergesunken in seinem Blut lag. In einem zornigen Tonfall, der aus dem Nichts zu kommen schien, sagte Tessio: »Jetzt springst du nicht mehr herum, Joe.« Er spuckte auf den Boden und ging hinaus, wo Eddie Veltri und Ken Cuisimano so vor den beiden Glastüren standen, dass man aus dem Saal nicht hineinschauen konnte. Das Orchester spielte »Smoke Gets in Your Eyes«.
»Das Lied gefällt mir«, sagte Tessio zu Ken. Er berührte Eddie an der Schulter und sagte: »
Andiamo.
«
Während die drei Männer zwischen den Tischen hindurchschritten, summte Tessio leise den Text mit. Als er anfing, laut zu singen –
»something here inside cannot be denied«
–, klopfte ihm Eddie auf den Rücken und sagte: »Sal, ich würde für dich in den Tod gehen, und das weißt du auch, aber
Madre ’Dio
, hör bitte auf zu singen.«
Tessio warf Eddie einen irritierten Blick zu, grinste dann breit und lachte laut los. Noch immer lachend verließ er das Lokal und trat auf die Straßen von Manhattan hinaus, auf denen reges Treiben herrschte.
Donnie O’Rourke schaltete das Radio ein. Seine Eltern stritten sich schon den ganzen Abend im Zimmer nebenan. Sie waren beide betrunken, und das Geschrei wollte kein Ende nehmen, dabei hatte der Radiosprecher gerade gesagt, dass es bereits nach Mitternacht war. Donnie drehte die Lautstärke herunter und wandte sich dem Fenster neben seinem Bett zu, wo er hören konnte, wie die Vorhänge im Wind flatterten. Er saß seinem Bett gegenüber in einem Schaukelstuhl, die Hände im Schoß gefaltet, eine Decke über den Beinen. Mit einer fahrigen Bewegung strich er sich über die Haare, rückte seine Sonnenbrille gerade, zog sein Hemd glatt und knöpfte den Kragen zu. Er setzte sich auf und versuchte, sich so gut wie möglich zurechtzumachen.
Wieder einmal hatte er jedes Zeitgefühl verloren. Er wusste nicht, was für ein Tag es war, aber er wusste, dass Frühling war und der Sommer kurz bevorstand. Er konnte es riechen. In letzter Zeit konnte er alles riechen. Wenn jemand in die Küche kam, wusste er augenblicklich, ob es seine Mutter oder sein Vater war – er hörte es an ihren Bewegungen, und er konnte sie an ihrem unterschiedlichen Geruch auseinanderhalten, obwohl sie beide nach Whisky und Bier stanken. Und jetzt wusste er, dass Luca Brasi auf der Feuertreppe stand. Er war sich völlig sicher. Als er hörte, wie er durch das offene Fenster ins Zimmer stieg, lächelte er und sagte leise seinen Namen. »Luca. Luca Brasi.«
»Woher wusstest du … dass ich es … bin?«, flüsterte Luca.
»Es gibt keinen Grund, meine Eltern zu beunruhigen«, sagte Donnie. »Sie sind zu betrunken, um irgendwelche Schwierigkeiten zu machen.«
»Um
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