Die Corleones
Schließlich sagte er: »Ich bin vielleicht dumm, Bobby, aber wenigstens ist meine Schwester keine Hure.«
Cork erwiderte seinen Blick und lachte. »Was redest du da?«
»Ich rede über Eileen. Mensch, Kumpel, ich vögel schon seit Jahren mit ihr.«
»Was ist nur in dich gefahren?« Cork setzte sich auf. »Warum sagst du so was zu mir?«
»Weil es wahr ist, du irischer Idiot. Ich hab mit Eileen drei Mal die Woche eine Nummer geschoben, und das schon seit …«
»Halt’s Maul, du verlogene Ratte!« Cork blickte zur Decke, wo im Bad noch immer das Wasser lief, als würde er befürchten, Eileen oder Caitlin könnten sie hören. »Das ist nicht komisch, falls du das meinst. Eileen würde sich niemals mit deinesgleichen einlassen, und das wissen wir beide.«
»Da irrst du dich.« Sonny stieß sich von der Wand ab – endlich konnte er wieder die Beine bewegen. »Eileen ist so was von geil. Am liebsten bläst sie mir …«
In dem Moment sprang Cork auf, und fast hätte er Sonny erreicht, bevor dieser die Pistole hob und abdrückte. Der Schuss klang dumpf, wie ein Hammerschlag auf Gips. Ein Glasbaustein zersplitterte, die Scherben trafen den orangefarbenen Lampenschirm, und die Lampe fiel zu Boden. Sonny warf die Pistole beiseite und fing Cork auf. Dabei sah er den unfassbar großen Blutfleck auf Corks Rücken und wusste mit Gewissheit, dass er tot war; die Kugel war ihm durchs Herz gegangen und wieder ausgetreten – jetzt steckte sie in dem Glasbausteinfenster, das auf die Gasse hinausging. Sonny nahm sich die Zeit, Cork auf das Bett sinken zu lassen und ein offenes Buch auf die Wunde über seinem Herzen zu legen, um sie vor Eileen zu verbergen, die bereits die Treppe heruntergeeilt kam und Bobbys Namen rief.
Sonny hatte die Gasse erreicht und war durch das Tor gerannt, bevor er ihren Schrei hörte. Sie schrie nur ein Mal, laut und lange, bevor sie verstummte. Er stürzte zu seinem Wagen, stieg ein undließ den Motor an. Dann drückte er die Tür wieder auf und übergab sich auf das Pflaster. Während er davonfuhr, strich er sich mit dem Arm über den Mund. Sein Kopf war von einem merkwürdigen Summen erfüllt, und immer wieder hörte er Eileens Schrei und das dumpfe Bellen der Pistole, und einen verrückten Moment lang glaubte er, die Kugel hätte nicht nur Bobby getroffen, sondern auch ihn. Verwirrt blickte er auf seine Brust, und als er sah, dass sein Hemd voller Blut war, erschrak er zutiefst, bis ihm klar wurde, dass das Bobbys Blut war und nicht sein eigenes, ihm war nichts passiert, mit ihm war alles in Ordnung – und dann stellte er fest, dass er nicht zu seinem Apartment fuhr, wie er vorgehabt hatte, sondern Richtung Hafen, zum Fluss. Er wusste nicht, warum, aber er ließ es geschehen. Irgendetwas zog ihn dorthin – und es gelang ihm erst, sich wieder ein wenig zu beruhigen und einigermaßen klar zu denken, als er den Wagen am Wasser geparkt hatte und dort im Dunklen saß, den Blick über den Fluss hinweg auf die Lichter der Stadt gerichtet. Allmählich ließen die Geräusche in seinem Kopf nach, das Summen und Eileens Schrei und der gedämpfte Schuss, den er nicht nur hörte, sondern in seinen Knochen und in seinem Herzen spüren konnte.
28.
Vito ließ sich auf das Sofa zurücksinken. Connie saß auf seinem Schoß, und er hatte ihr einen Arm um die Taille gelegt. Sie kuschelte sich schläfrig an ihn, schaute sich dabei im Zimmer um und hörte mit anscheinend aufrichtigem Interesse zu, wie Jimmy Mancini und Al Hats über Baseball diskutierten. Jimmys Tochter Lucy saß neben ihnen und konzentrierte sich ganz auf ein »Verbinde die Punkte«-Bild in einem farbenfrohen Malbuch. Immer mal wieder schaute sie zu Connie hoch, als wollte sie sich vergewissern, dass ihre Freundin nicht fortgegangen war, während sie sich in ihr Bild vertieft hatte. Sie befanden sich in Vitos Wohnzimmer an der Hughes Avenue. Es war Sonntagnachmittag, der Himmel war blau, und die Temperaturen lagen bei über 20 Grad. Als Tessio durch die Tür trat, hörten Al und Jimmy auf zu streiten. Al fragte: »Sal, meinst du, die Dodgers haben eine Chance auf den Titel?« Beide Männer brachen, kaum war die Frage gestellt, in lautes Gelächter aus, denn die Dodgers konnten froh sein, wenn sie überhaupt aus dem Keller herauskamen. Tessio, ein eingefleischter Fan der Brooklyn Dodgers, ignorierte sie, setzte sich neben Lucy und betrachtete neugierig ihr Malbuch.
Aus der Küche hallte ebenfalls lautes Gelächter herüber, woraufhin Sandra mit
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