Die Corleones
grünen Dach von Paddy’s Bar, während ein plötzlicher Wolkenbruch den Gehsteig unter Wasser setzte. Ein kleines Flüsschen strömte den Rinnstein entlang und ergoss sich in einen Abwasserkanal, der zunehmend mit Zeitungen und Abfällen verstopfte. Donnie nahm seinen Derby ab und wischte sich Wassertropfen von der Stirn. Auf der anderen Straßenseite hielten zwei ältere Frauen mit braunen Papiertüten auf den Armen in einem Hauseingang ein Schwätzchen, während hinter ihnen ein Kind die Treppe auf und ab rannte. Eine der Frauen schaute in seine Richtung und wandte sofort wieder den Blick ab. Allem Anschein nach würde sich die Sonne, die noch vor Kurzem geschienen hatte, den Himmel zurückerobern, sobald sich die Gewitterwolken verzogen hatten. Als Donnie seinen Bruder sah, der um die Ecke bog und unter einem schwarzen Regenschirm auf ihn zugetrottet kam, stemmte er die Hände in dieHüften und blickte ihm entgegen. »Du würdest noch zu deinem eigenen Begräbnis zu spät kommen«, sagte er, sobald sein Bruder unter dem Vordach stand.
Willie O’Rourke faltete den Regenschirm und schüttelte ihn. Er war nur wenige Zentimeter kleiner als sein Bruder und so dünn und zerbrechlich, wie Donnie dick und kräftig war. Als Kind und junger Mann war Willie oft krank gewesen, und erst jetzt, mit Anfang dreißig, ging es ihm einigermaßen gut, obwohl er sich noch immer alles holte, was umging – und irgendwas ging immer um. Donnie war sieben Jahre älter als Willie und für ihn ebenso Vater wie Bruder, was auch für ihren jüngsten Bruder Sean galt, der noch in seinen Zwanzigern war. Ihre Eltern waren Säufer, die ihren Kindern das Leben zur Hölle gemacht hatten, bis Donnie dafür sorgte, dass sie seine Geschwister nie wieder anfassten – mit fünfzehn verpasste er seinem Vater eine solche Tracht Prügel, dass der alte Herr über Nacht ins Krankenhaus musste. Seither stand völlig außer Frage, wer im Haus das Sagen hatte. Weder Sean noch Kelly, die Jüngste der Familie, waren je mit Striemen oder hungrig zu Bett gegangen – etwas, das für Donnie und Willie die Regel gewesen war.
»Ich musste noch mal zurück und den Regenschirm holen. Du weißt doch, wie leicht ich mich erkälte.« Willie schloss den Regenschirm ganz und hängte ihn sich über den Arm.
Hinter ihnen trat Sean aus dem Paddy’s, ein breites Lächeln auf dem Gesicht. Der Junge lächelte unentwegt. Von den Brüdern war er der Einzige, der gut aussah, was er von seiner Mutter geerbt hatte. »Du solltest besser mal reinkommen«, sagte er zu Donnie. »Rick Donnelly und Corr Gibson stehen kurz davor, einander umzubringen, und zwar wegen etwas, das vor zwanzig Jahren passiert ist. Himmel Herrgott«, fügte er hinzu. »Wenn du dich nicht beeilst, fangen sie noch an rumzuballern.«
»Wir kommen«, erwiderte Donnie. »Gib allen noch eine Runde aus.«
»Klar, das ist genau das, was sie brauchen – noch eine Runde.« Damit verschwand er in der Bar. Donnie und Willie waren dafürbekannt, dass sie keinen Alkohol tranken. Sean gönnte sich hin und wieder ein Glas, aber nicht mehr. Kelly dagegen hatte die Veranlagung ihrer Eltern geerbt, und Donnie und seinen Brüdern war es nie gelungen, sie davon abzubringen. Seit sie im Alter von sechzehn Jahren zu voller Schönheit erblüht war, konnte sie niemand mehr zügeln.
»Überlass mir das Reden«, sagte Donnie.
»Als wär das jemals anders gewesen.«
»Hast du deine Knarre dabei?«
»Klar.« Willie legte kurz die Hand auf die Pistole, die er unter seiner Jacke trug. »Glaubst du, die brauchen wir?«
»Nee«, erwiderte Donnie. »Aber sicher ist sicher.«
»Ich bin immer noch der Meinung, dass du den Verstand verloren hast. Du bringst uns noch alle um.«
»Wen interessiert schon, was du denkst?«
Sie gingen hinein, und Donnie zog die grünen Rollos herunter und verriegelte die Tür, während Willie sich zu den anderen an die Bar gesellte. Rick Donnelly und Corr Gibson lachten und klopften sich auf den Rücken. Donnie schaute zu, wie sie ihre Biergläser gegeneinander stießen. Der Schaum schwappte über den Rand, und sie kippten ihre Pints mit wenigen Schlucken hinunter, worauf sie beide wieder in lautes Gelächter ausbrachen. Ihren Streit hatten sie glücklich beigelegt, worüber alle erleichtert waren, vor allem Ricks Bruder Billy, der hinter der Bar saß. Rick war Anfang vierzig und damit einige Jahre älter als Billy, aber sie sahen einander so ähnlich, dass man sie für Zwillinge halten konnte. Billy
Weitere Kostenlose Bücher