Die Corleones
den Stoff über den Beinen glatt.
Sonny blieb mitten im Zimmer stehen. Er war sich unsicher, ob er sich neben sie oder doch eher auf den Sessel ihr gegenüber setzen sollte. Sandra schenkte ihm ein schüchternes Lächeln, ließ ihn darüber hinaus jedoch im Ungewissen. Er schaute hinter sich in die Küche, wo Mrs. Columbo außer Sichtweite am Herd werkelte. Rasch überlegte er, dass er ein oder zwei Minuten mit Sandra allein sein würde, und setzte sich neben sie aufs Sofa. Als sie daraufhin über das ganze Gesicht strahlte, nahm er ihre Hand und hielt sie fest, während er ihr in die Augen schaute. Er bemühte sich, nicht auf ihre Brüste zu starren, doch er wusste bereits, dass sie unter den gespannten Knöpfen ihrer weißen Bluse voll und schwer waren. Ihm gefielen ihre dunkle Haut und ihre Augen, und ihre Haare, die so schwarz waren, dass sie im schwindenden Tageslicht, das durch das Wohnzimmerfenster herinfiel, fast blau wirkten. Er wusste, dass sie erst sechzehn war, aber fraulicher hätte sie nicht sein können. Er überlegte, ob er sie küssen sollte, und fragte sich, ob sie ihn lassen würde. Er drückte ihre Hand, und als sie die Geste erwiderte, warf er einen Blick in die Küche, um sich zu vergewissern, dass Mrs. Columbo noch immer außer Sichtweite war, beugte sich vor und küsste sie auf die Wange. Dann lehnte er sich zurück, um ihre Reaktion abzuschätzen.
Sandra reckte den Hals und stand ein Stück auf, um besser in die Küche schauen zu können. Offenbar überzeugt, dass ihre Großmutter sie nicht unterbrechen würde, legte sie Sonny eine Hand in den Nacken und eine auf den Hinterkopf, wobei sich ihre Finger in seinen Haaren verkrallten, und küsste ihn auf die Lippen – ein voller, feuchter, köstlicher Kuss. Als ihre Zunge seine Lippen berührte, reagierte sein Körper, alles kribbelte und regte sich.
Sandra zog sich von Sonny zurück und strich ihr Kleid wieder glatt. Mit ausdruckslosem Blick starrte sie vor sich hin und schaute Sonny nur ganz kurz an, bevor sie sich wieder von ihm abwandte. Sonny rückte näher an sie heran und legte den Arm um sie – er wollte noch so einen Kuss, aber sie drückte ihm die flachen Hände auf die Brust und hielt ihn auf Distanz, dann ertönte Mrs. Columbos dröhnende Stimme aus der Küche. »Eh! Wiekommt es, dass ich euch nicht reden höre!« Als sie einen Augenblick später aus der Küche hereinspähte, saßen Sandra und Sonny weit auseinander auf dem Sofa und lächelten sie an. Sie brummte etwas, verschwand wieder in der Küche und kehrte kurz darauf mit einem großen Silbertablett zurück, auf dem sie eine kleine Espressokanne, zwei Tässchen – eine für sie und eine für Sonny – und drei Cannoli trug.
Sonny betrachtete die Cannoli gierig, und alsbald plauderte er wieder unbefangen mit Mrs. Columbo, während sie den Espresso einschenkte. Es machte ihm Spaß, über sich selbst zu reden und darüber, wie er etwas aus sich machen wollte, dass er irgendwann hoffentlich mit seinem Vater zusammenarbeiten würde und wie groß das Geschäft seines Vaters doch war, die Firma Genco Pura Olive Oil, dass jeder Laden in der Stadt ihr Olivenöl führte, und eines Tages würden sie es vielleicht landesweit vertreiben. Sandra lauschte andächtig, hing geradezu an seinen Lippen, während Mrs. Columbo beifällig nickte. Sonny konnte problemlos gleichzeitig reden und essen. Er nippte an seinem Espresso und erzählte. Nahm einen Bissen von seinem Cannolo, ließ ihn sich auf der Zunge zergehen und redete dann weiter. Und hin und wieder riskierte er einen verstohlenen Blick auf Sandra, obwohl Mrs. Columbo sie nicht aus den Augen ließ.
Luca saß seiner Mutter gegenüber am Esstisch und hielt den Kopf in den Händen. Gerade hatte er noch gegessen, seine Gedanken schweifen lassen und ihr keine Beachtung geschenkt, während sie von allem Möglichen erzählte, aber jetzt fing sie wieder von Selbstmord an, und er spürte, wie er allmählich Kopfschmerzen bekam. Manchmal wurden diese so schlimm, dass er selbst große Lust hatte, sich eine Kugel in den Kopf zu jagen, nur damit das Pochen aufhörte.
»Glaub bloß nicht, dass ich dazu nicht in der Lage bin«, sagte seine Mutter, und Luca massierte sich die Schläfen. »Ich habe alles genau geplant. Du hast ja keine Ahnung, wie das ist, sonst würdest du das deiner Mutter nicht antun. Immer habe ich Angst,einer der Nachbarn könnte an der Tür klopfen und mir sagen, dass mein Sohn tot ist oder dass er ins Gefängnis muss. Du
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