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Die Corleones

Die Corleones

Titel: Die Corleones Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Edward; Puzo Falco
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weißt nicht, wie das ist, jeden Tag aufs Neue.« Sie tupfte sich mit der Ecke einer weißen Papierserviette die Tränen aus den Augenwinkeln. »Mir ginge es besser, wenn ich tot wäre.«
    »Ma«, sagte Luca. »Kannst du bitte mal aufhören?«
    »Nein, kann ich nicht.« Seine Mutter warf Messer und Gabel auf den Tisch und schob ihren Teller von sich. Es gab Pasta mit Fleischklößchen. Und sie hatte das Abendessen verhunzt, weil sie in der Nachbarschaft Gerüchte gehört hatte, irgendein Ganove wolle ihren Sohn umbringen. Vor ihrem geistigen Auge sah sie ihn wie James Cagney in diesem Film, in dem er durch die Straßen geschleift wird und mehrere Kugeln einsteckt, und dann bringen sie ihn zum Haus seiner Mutter, wie eine Mumie in Verbandszeug gewickelt, und lassen ihn vor ihrer Tür liegen, und Lucas Mutter befürchtete, dass sie ihren Sohn so vorfinden könnte, und ließ die Spaghetti verkochen und die Soße anbraten, und jetzt stand das missratene Essen vor ihnen wie ein böses Omen, und sie dachte unentwegt daran, dass sie sich lieber umbringen würde, als mit anzusehen, wie ihr Sohn ermordet oder verhaftet wurde. »Du hast ja keine Ahnung«, sagte sie.
    »Von was hab ich keine Ahnung?«, fragte Luca. Ihm kam es so vor, als hätte sich seine Mutter in eine alte Frau verwandelt. Er konnte sich noch an früher erinnern, als sie noch schicke Kleider angezogen und sich geschminkt hatte. Auf den alten Fotos sah sie wunderschön aus. Sie hatte leuchtende Augen, und auf einem Bild trug sie ein langes, rosafarbenes Kleid mit einem dazu passenden Schirm, und sie lächelte ihren Mann an, Lucas Vater, der ebenfalls ein ganzer Kerl gewesen war, wie Luca, groß und kräftig gebaut. Sie hatte jung geheiratet, noch als Teenager, und Luca war auf die Welt gekommen, bevor sie einundzwanzig gewesen war. Jetzt war sie sechzig, was alt war, aber nicht uralt, und so wirkte sie auf ihn, uralt, nur noch Haut und Knochen, und ihr Schädel zeichnete sich deutlich unter ihrem pergamentenen, faltigen Gesicht ab; ihre grauen Haare waren strähnig und gingenihr allmählich aus. Sie trug dunkle Kleider, ein altes Weib in Lumpen, und er konnte ihren Anblick kaum ertragen. »Von was hab ich keine Ahnung?«, wiederholte er.
    »Luca!«, sagte sie flehentlich.
    »Ma, was ist denn? Wie oft hab ich dir schon gesagt – mir geht es gut. Um mich musst du dir keine Sorgen machen.«
    »Luca, ich mache mir ja solche Vorwürfe!«
    »Fang jetzt nicht wieder damit an, Ma, bitte. Ich möchte nur in Ruhe zu Abend essen.« Er legte die Gabel hin und rieb sich die Schläfen. »Bitte. Ich hab entsetzlich Kopfweh.«
    »Du hast ja keine Ahnung, wie ich leide.« Seine Mutter wischte sich mit der Serviette die Tränen aus dem Gesicht. »Ich weiß, dass du dir die Schuld dafür gibst, was in jener Nacht passiert ist, und das schon seit Jahren. Weil …«
    Luca schob seinen Teller mit Spaghetti über den Tisch, bis er gegen den Teller seiner Mutter krachte. Sie wich erschrocken zurück, und er packte den Tisch mit beiden Händen, als wollte er ihr das ganze Geschirr in den Schoß kippen. Stattdessen verschränkte er die Arme vor der Brust. »Fängst du jetzt wieder damit an? Wie oft müssen wir uns damit noch rumquälen, Ma? Verdammt noch mal, wie oft?«
    »Darüber müssen wir nicht sprechen, Luca«, sagte sie, dann rannen ihr die Tränen über die Wangen. Sie schluchzte und vergrub den Kopf in den Händen.
    »Jesus Maria …« Luca langte über den Tisch und berührte seine Mutter am Arm. »Mein Vater war ein Säufer und ein Großmaul, und jetzt schmort er in der Hölle.« Er öffnete die Handflächen, als wollte er sagen:
Was gibt es da zu bereden?
    Ohne aufzublicken wiederholte seine Mutter zwischen einzelnen Schluchzern: »Darüber müssen wir nicht sprechen.«
    »Hör zu, Ma, das ist alles Schnee von gestern. Ich hab schon eine Ewigkeit nicht mehr an Rhode Island gedacht. Ich weiß nicht mal mehr, wo wir da gewohnt haben. Ich weiß nur noch, dass es weit oben war, im neunten oder zehnten Stock, und wie wir immer laufen mussten, weil der Aufzug nie funktionierte.«
    »In der Warren Street«, sagte seine Mutter. »Im neunten Stock.«
    »Das ist Schnee von gestern«, wiederholte Luca und zog seinen Teller wieder zu sich heran. »Lass es gut sein.«
    Lucas Mutter trocknete sich mit dem Ärmel die Augen und betrachtete ihren Teller, als wollte sie wirklich etwas essen; dabei schluchzte sie noch, und ihr Kopf wippte mit jedem angestrengten Atemzug auf und ab.
    Luca sah

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