Die Corleones
auf die Schultern und küsste sie auf die Wange. »Ich hab kurz bei Kelly vorbeigeschaut.«
»Aha. Und wie geht’s ihr?«
»Trinkt immer noch zu viel.«
»Sicher«, brummte seine Mutter und wandte sich wieder der Comicseite zu, als wäre damit alles gesagt.
Auf dem Dach traf Sean Willie und Donnie dabei an, wie sie neben dem Taubenschlag auf Strohballen hockten. Der Boden des Käfigs, der aus Holz und Hühnerdraht zusammengeschustert war, war mit frischem Stroh ausgelegt. Donnie und Willie saßen nebeneinander, rauchten und ließen den Blick über die Dächer schweifen. Der Wind blähte ihre Jacken und brachte ihre Haare durcheinander. Sean ließ sich ihnen gegenüber auf dem Rand des Daches nieder. »Und? Habt ihr’s durchgezogen?«
»Der Bastard hatte Glück«, erwiderte Donnie. »Er hatte seine ganze verfluchte Gang dabei.«
»Ich hab ein paar von ihnen erwischt«, sagte Willie.
»Was denn? Habt ihr euch eine Schießerei mit denen geliefert?«
Donnie sah Willie an und nickte. »Dein Bruder ist ein verdammter Idiot.«
Willie grinste. »Ich bin ein bisschen wütend geworden.«
»Wir waren schon auf dem Dach und wollten abhauen, und da sagt dein verrückter Bruder plötzlich, ich soll ihm meine Pistole geben. Also geb ich sie ihm, und bevor ich kapier, was los ist, spielt er den beschissenen Cowboy.«
»Ich wollte den Bastard umbringen!«
»Und, hast du ihn erwischt?«, fragte Sean.
Willie schüttelte den Kopf und zog verbissen an seiner Zigarette. »Ich hab gesehen, wie er uns auf dem Dach nachgerannt ist. Da war ich schon außer Sicht auf dem nächsten Dach, auf der Feuertreppe – aber der Kerl ist so riesig, den kannst du nicht übersehen.« An Donnie gewandt fügte er hinzu: »Ich bin sicher, dass er das war.«
»Wirklich schade«, sagte Sean.
»Ich hab mindestens zwei von denen getroffen«, sagte Willie. »Ich hab sie jaulen hören, und dann sind sie zu Boden gegangen.«
»Meinst du, du hast sie getötet?«
»Hoffentlich.« Willie ließ seine Zigarette auf die Teerpappe fallen und trat sie aus. »Ich hasse diese verdammten Makkaronis, alle miteinander.«
»Und was jetzt?« Sean zog seine Pistole aus der Tasche und legte sie neben sich auf den Dachsims. »Ist Luca jetzt hinter uns her?«
»Nein. Noch nicht, jedenfalls«, sagte Willie. »Ich war im Halbdunkel und hatte mir die Mütze ins Gesicht gezogen. Der hat keine Ahnung, wer da auf ihn geballert hat.«
»Noch nicht?«, fragte Sean. Er beugte sich vor, um dem Wind weniger Angriffsfläche zu bieten.
Donnie stand auf und setzte sich, Willie gegenüber, neben Sean. »Wirklich Pech, dass wir ihn nicht erwischt haben. Jetzt wird alles nur noch schwieriger.«
»Scheiß drauf«, sagte Willie.
»Du willst es noch mal versuchen?«, fragte Sean.
»Er oder wir, Sean.« Donnie drehte sich um und schaute auf die Straße hinunter, wo ein Auto hupte, weil McMahons Karren mit Metallschrott ihm den Weg versperrte. »Pete Murray und die Donnellys halten zu uns. Und Little Stevie und Corr Gibson auch.« Er nahm Seans Pistole zur Hand und betrachtete sie eingehend. »Den Makkaronis werden wir schon beibringen, dass wir uns nicht mit dem Dreck zufriedengeben, den sie uns übriglassen – angefangen mit Luca Brasi.« Er reichte Sean seine Pistole.
Sean steckte sie wieder zurück in die Jackentasche. »Ich bin dabei«, sagte er. »Diesem Bastard muss jemand das Maul stopfen!«
Donnie zündete sich noch eine Zigarette an. Er wandte dem Wind den Rücken zu und legte die hohle Hand um das Streichholz. Willie und Sean kramten beide auch Zigaretten heraus und beugten sich zu Donnies Streichholz hinüber. Dann hingen sie alle ihren Gedanken nach, während der Wind um sie herum ächzte und pfiff.
9.
Tomasino Cinquemani hatte sein Apartment im Zentrum von Manhattan verlassen und fuhr mit dem Aufzug nach unten. Er hatte die Arme verschränkt und die Beine gespreizt, als würde er jemandem den Weg verstellen. Nicky Crea und Jimmy Grizzeo standen einander links und rechts von ihm gegenüber. Es war noch früh am Morgen, und beide wirkten müde. Grizz hatte sich die Krempe seines Hutes in die Stirn gezogen und schien ein kleines Nickerchen zu machen, während der Lift sich klappernd abwärts bewegte. In der linken Hand hielt Nicky eine braune Papiertüte, die rechte hatte er in die Jackentasche gesteckt. Tomasino starrte wie gebannt auf das Aufzugsgitter und die Wände und Türen, die dahinter vorbeiglitten. Ein vierter Mann saß auf einem Hocker vor der
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