Die Corleones
Glas auf der Fensterbank seines Arbeitszimmers, bis Carmella an der Tür klopfte und eintrat. Ohne ein Wort zu sagen, setzte sie sich zu ihm. Sie sah ihn an, nahm seine Hand und massierte seine Finger auf die Art, wie er es mochte, knetete eines nach dem anderen seine Gelenke, während das letzte Tageslicht verblasste.
Donnie O’Rourke bog um die Ecke auf die Ninth Avenue und blieb stehen, um sich die Schnürsenkel zu binden. Er setzte den Fuß auf den Sockel eines Laternenpfahls und ließ sich Zeit. In derNachbarschaft war es ruhig: Ein paar piekfein herausgeputzte Kerle, die den Gehsteig entlangschlenderten, ein gutaussehendes Weibsbild zwischen sich; eine ältere Frau mit einer braunen Papiertüte auf dem Arm und einem Kind an der Hand. Auf der Straße rollten immer wieder Autos vorbei, und ein Hausierer schob seinen leeren Karren und pfiff ein Lied vor sich hin, das wahrscheinlich nur ihm bekannt vorkam. Es war später Nachmittag und für diese Jahreszeit ungewöhnlich warm, die letzten Stunden eines herrlichen Herbsttages, an dem sich alle im Freien aufhielten, um den blauen Himmel und den Sonnenschein zu genießen. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass ihm niemand folgte, ging Donnie die Straße entlang bis zu einem Apartmenthaus, in dem er zusammen mit Sean und Willie eine Wohnung gemietet hatte. Ein paar Stufen führten vom Hauseingang ins Hochparterre hinauf, wo sich ihre Zimmer befanden.
Kaum hatte Donnie das kleine Foyer mit seinem schwarz-weiß gefliesten Boden betreten, flog die Kellertür rechts von der Treppe auf. Einer von Lucas Jungs richtete eine Pistole auf seinen Kopf. Donnie überlegte kurz, ob er nach seiner Waffe greifen sollte, aber dann kam noch einer von Lucas Gang – der mit der bandagierten Hand – aus dem Keller. Er hielt eine abgesägte Schrotflinte auf Hüfthöhe, direkt auf Donnies Eier gerichtet. »Mach keine Dummheiten«, sagte er. »Luca will nur mit dir reden.« Er wies mit der Schrotflinte in den Keller hinunter, während der andere Kerl ihn filzte und ihm erst die Pistole abnahm, die in seinem Schulterhalfter steckte, dann die kurzläufige, die er um den Fußknöchel geschnallt hatte.
Im Keller hatte sich Luca auf einem heruntergekommenen Sessel mit Klauenfüßen ausgestreckt, der neben dem Heizkessel stand. Das weiße Polster hing aus Sitz und Lehne, und die Klaue am rechten hinteren Bein war abgebrochen, so dass der Sessel schief stand. Luca hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt und die Beine übereinandergeschlagen. Er trug Anzughosen und ein Unterhemd; Hemd, Jackett und Krawatte hingen rechts von ihm über einem Sessel, der zu dem anderen gehörte und in demselbenjämmerlichen Zustand war. Hooks Battaglia stand hinter Luca. Er hatte die Hände in den Hosentaschen und wirkte gelangweilt. Und hinter Hooks stand ein Typ mit der Hand in der Hose und kratzte sich. Donnie nickte Hooks zu.
»Ihr Iren«, sagte Luca, als Paulie und JoJo Donnie vor seinen Stuhl stießen. »Ihr fangt einen Krieg mit mir an, und dann lauft ihr ohne Leibwächter herum, als könne euch niemand etwas zuleide tun. Was ist los mit euch? Habt ihr gedacht, ich würde nicht rausfinden, wo ihr euch verkriecht?«
»Du kannst mich mal, Luca«, erwiderte Donnie.
»Siehst du«, sagte Luca und schaute zu Hooks hoch. »Begreifst du jetzt, warum ich diesen Kerl mag? Er hat keine Angst vor mir. Und er hat keine Angst zu sterben.«
»Bevor ich euch die Stiefel küsse, müsst ihr mich schon umbringen«, sagte Donnie zu Hooks.
Hooks schüttelte ganz leicht den Kopf, als wollte er Donnie warnen, nicht so aggressiv aufzutreten.
»Wem willst du dann die Stiefel küssen, Donnie?«, fragte Luca. »Irgendwem muss jeder die Stiefel küssen. Außer ich natürlich«, fügte er lachend hinzu.
»Was willst du, Luca? Bringst du mich jetzt um?«
»Eigentlich hab ich das nicht vor.« Luca betrachtete den Heizkessel und sah dann zu den Rohren hinauf, die an der Decke entlangliefen, bevor er sich wieder Donnie zuwandte. »Du gefällst mir. Ihr habt hier immer ordentlich Kohle gescheffelt, du und die restlichen Iren, bevor ich und meine Makkaronis – so nennt ihr uns doch, oder? –, bevor ich und meine Makkaronis hier aufgetaucht sind und euch alles versaut haben. Früher hattet ihr Iren hier das Sagen. Ich kann schon verstehen, das ihr sauer wart, als wir euch in eure betrunkenen Ärsche getreten haben und ihr wieder in der Gosse gelandet seid. Wirklich – dafür hab ich Verständnis.«
»Echt großzügig von
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