Die Corleones
ab«, sagte Genco. »Aber Frankie ist sich sicher, dass er und die Barzinis etwas vorhaben. Sie haben ihn nicht eingeweiht, also weiß er nicht, was genau, aber etwas ist im Busch, und sobald er mehr herausfindet, werden wir es erfahren. Vorerst haben sie noch genug mit LaContis Organisation zu tun.«
»Und was sollen wir machen?«, fragte Clemenza. »Herumsitzen und abwarten, bis sie sich auf uns einschießen?«
»Wir haben einen Vorteil.« Vito stand auf und ging mit seinem Glas zum Schreibtischstuhl hinüber. »Frankie spioniert für uns,also wissen wir, was Giuseppe vorhat.« Er nahm eine Zigarre aus einer Schublade und wickelte sie aus. »Mariposa denkt an die Zukunft, aber das tu ich auch. Sobald sich die Gesetzeslage ändert, werde ich nach neuen Geschäftsfeldern suchen. Aber erst müssen Leute wie Dutch Schultz und Legs Diamond aus dem Weg geräumt werden.« Vito verzog angewidert das Gesicht. »Jeden Tag wird in den Zeitungen über sie berichtet, und das geht einfach nicht. Ich weiß das, und Giuseppe weiß das. Wir alle wissen das. Es gibt viel zu viele Hanswürste, die glauben, sie könnten machen, was sie wollen. In jedem Viertel spielt ein anderer den starken Mann. Das muss aufhören. Giuseppe glaubt, er kann alles an sich reißen.« Vito schnitt die Spitze seiner Zigarre ab. »Giuseppe ist wie dieser
idiota
Adolf Hitler in Deutschland. Er hört erst auf, wenn ihm alles gehört.« Vito zündete sich die Zigarre an und atmete genussvoll ein. »Wir haben noch einiges vor. Ich weiß noch nicht, wie, aber es ist gut möglich, dass sich Luca Brasi als nützlich erweist. Wir können jeden gebrauchen, vor dem Mariposa Angst hat, also werden wir unser Bestes tun, damit er am Leben bleibt. Und die Visagen, die Mariposa den Schnaps klauen? Es ist in unserem eigenen Interesse herauszufinden, wer die sind, und sie Giuseppe auszuliefern. Wenn uns das gelingt, und wenn Frankie am Leben bleibt und weiterhin für uns arbeitet …« Vito hielt erneut inne und sah seine Freunde an. »Mit Gottes Hilfe werden wir bereit sein, wenn es so weit ist. Jetzt«, sagte er und deutete zur Tür, »müsst ihr mich entschuldigen, aber ich hatte einen harten Tag.«
Clemenza trat einen Schritt auf Vito zu, als wollte er noch etwas sagen, aber Vito hob die Hand und ging zum Fenster hinüber. Er wandte Clemenza und den anderen den Rücken zu und starrte auf die Straße hinaus, während sie das Zimmer verließen. Als die Tür ins Schloss fiel, saß er bereits wieder auf der Fensterbank und schaute über die Hughes Avenue hinweg zu den Zweifamilienhäusern aus Backstein hinüber, die den Schiefergehsteig säumten. Sein Blick jedoch war nach innen gerichtet. Letzte Nacht, vor seinem Treffen mit Luca Brasi, hatte er geträumt, er stünde im Central Park vor dem Springbrunnen und starrte einen Schiffskofferan, in den eine entstellte Leiche gestopft war. Die Identität der Leiche konnte er nicht ausmachen, aber sein Herz raste, weil er Angst hatte, genauer hinzuschauen. Er beugte sich über den Koffer, immer näher heran, aber er konnte das Gesicht nicht erkennen. Dann geschahen zwei Dinge gleichzeitig: Er schaute zum Springbrunnen auf und sah, dass der riesige Engel aus Stein auf ihn deutete. Und als er den Blick senkte, streckte die Leiche in dem Koffer die Hände nach ihm aus – und Vito wachte auf. Vito, der immer tief und fest schlief, lag fast die ganze Nacht wach, während seine Gedanken hierhin und dorthin huschten – und als er am Morgen Kaffee trank und die Zeitung las, stieß er wieder auf die Fotografie der Leiche von Nicky Crea, die in einen Schiffskoffer gestopft und in den Central Park geworfen worden war, und zwar direkt unterhalb des Springbrunnens. Das Foto war ziemlich weit hinten abgedruckt und gehörte zu einem Artikel, der einmal mehr über den Mord berichtete. Verdächtige gab es keine. Zeugen genauso wenig. Und Spuren auch nicht. Nur die Leiche des Jungen in einem Schiffskoffer, und ein Mann in Zivil, der sich über ihn beugte. Als er das Bild erneut sah, stand ihm der Traum plötzlich wieder lebhaft vor Augen, und er schob die Zeitung beiseite – aber Zeitung und Traum ließen ihn nichts Gutes ahnen. Später, als Luca Brasi ihm von Tom erzählte, musste er wieder an den Traum denken, als gäbe es da eine Verbindung – und selbst jetzt, nachdem der Tag fast vorbei war, konnte er den Traum nicht abschütteln und auch nicht die schlimme Vorahnung, die ihn heimgesucht hatte.
Vito saß mit seiner Zigarre und seinem
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