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Die Creeds: Wenn ein Herz nach Hause kommt (German Edition)

Die Creeds: Wenn ein Herz nach Hause kommt (German Edition)

Titel: Die Creeds: Wenn ein Herz nach Hause kommt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Lael Miller
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Träne lief ihr über die Wange. Dann wandte sie sich ab und ging in ihren Flipflops die Straße entlang, vermutlich in Richtung der Wohnwagensiedlung, wo sie einen Wagen gemietet hatte.
    Melissa, die sich vorkam, als wäre sie in der letzten halben Stunde um zehn Jahre gealtert, sah Velda nach, bis diese hinter einer Baumgruppe außer Sichtweite geriet. Hoffentlich war Byron bereits zu Hause, wenn seine Mutter dort eintraf, aber im Augenblick kam ihr das wie ein frommer Wunsch vor.
    Nach einem Blick in den Rückspiegel fuhr Melissa los und wendete, um sich auf den Weg zu Ashleys Bed & Breakfast zu machen.
    Im Geiste ließ sie ihren ursprünglichen Eindruck von Byron Cahill Revue passieren. Er war sechzehn, als er verurteilt und ins Gefängnis geschickt wurde. Gegen den Ratschlag seines Pflichtverteidigers und offenbar von seiner Mutter dazu angestachelt, hatte Byron ein Gerichtsverfahren vor Geschworenen abgelehnt.
    In ihrer Eigenschaft als Anklägerin hatte sie versucht, mit dem frischgebackenen, aus Flagstaff importierten Pflichtverteidiger einen Deal zu vereinbaren, aber letztlich hatten sie sich auf keine gemeinsame Linie einigen können.
    Der Verteidiger wollte eine Bewährungsstrafe ohne Gefängnisaufenthalt erreichen und eine Entziehungskur, wenn der Junge sich schuldig bekannte. Sein Argument war, dass Byron noch sehr jung und vorher nicht straffällig geworden war.
    Eine Entziehungskur hatte Melissa befürwortet, doch eine Bewährungsstrafe war für sie nicht infrage gekommen, dafür war Chavonne Rowan viel zu jung gewesen. Durch Byrons gedankenloses Verhalten war Chavonne aus dem Leben gerissen worden. Es war nur allzu verständlich, dass ihre Familie am Boden zerstört gewesen war.
    Zugegeben, eine Gefängnisstrafe machte Chavonne auch nicht wieder lebendig.
    Insgeheim hatte Melissa bei diesem Fall sehr mit sich ringen müssen, doch nach außen hin war sie als felsenfest von ihren Forderungen überzeugte Frau aufgetreten, sogar gegenüber engen Freunden und der eigenen Familie. Wiederholt hatte sie ihr Gewissen befragt und sich ihre Verantwortung für die Gesellschaft vor Augen gehalten. Außerdem eilte ihr der Ruf voraus, unerbittlich zu sein, wenn es um die Achtung des Gesetzes ging.
    Von den wenigen Leuten abgesehen, die sie wirklich gut kannten – Brad, Olivia, Ashley und ein paar enge Freundinnen –, hielten die meisten Menschen sie für knallhart und gnadenlos.
    Wenn Melissa sich die Zeit nahm, darüber nachzudenken, stimmte sie das traurig.
    Natürlich hatte sie diese Ausbildung und Karriere gewollt. Sie liebte es, Anwältin zu sein, auch wenn die Gesetze noch so kompliziert waren, vor allem aber liebte sie es, für die Gerechtigkeit zu kämpfen. Diese war allerdings etwas sehr Flüchtiges, manchmal eine verteufelt subjektive Sache und viel zu oft eher ein wünschenswertes Ideal als die Realität. Doch was sollte aus der Menschheit werden, wenn man aufhörte, dieses Ideal anzustreben?
    Sie seufzte tief und sagte sich, dass sie im Fall Cahill ihr Bestes getan hatte, und das musste hier auch genug sein.
    Da es für sie keinen Grund gab, schnell nach Hause zu kommen, konnte sie ebenso gut einen Abstecher zum Bed & Breakfast machen. Die betagten Gäste sollten gestern angekommen sein. Und so würde sie ihr Versprechen gegenüber Ashley einlösen und nach den alten Leuten sehen, um sich davon zu überzeugen, dass bei ihnen alles in Ordnung war und sie noch lebten – buchstäblich!
    Fünf Minuten später bog sie in die Auffahrt zu dem geräumigen viktorianischen Gebäude, das Ashley vor einigen Jahren zum Mountain View Bed & Breakfast umgebaut hatte.
    Ein Stich fuhr ihr ins Herz, als sie an ihre Zwillingsschwester dachte. Sie vermisste Ashley sehr. Auch wenn sie in vielerlei Hinsicht grundverschieden waren – die blonde Ashley war häuslich und hatte eine Vorliebe für Baumwollkleider und dünne Röcke, Melissa selbst war dunkelhaarig, alles andere als häuslich und bevorzugte maßgeschneiderte Anzüge und Hosen –, standen sie sich doch sehr nahe.
    Beeil dich und komm wieder nach Hause, Ash, dachte sie, als sie den Motor abstellte und ausstieg.
    Ein durchdringender Pfiff aus dem Garten vor dem Bed & Breakfast ließ Melissa abrupt stehen bleiben.
    Sie hielt die Hand an die Stirn, um die Augen vor der Sonne abzuschirmen, und entdeckte einen älteren Herrn in Bermudashorts, Polohemd, Schuhen und Kniestrümpfen – alles in strahlendem Weiß gehalten – im Schatten von Ashleys geliebtem

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