Die Creeds: Wenn ein Herz nach Hause kommt (German Edition)
jederzeit willkommen, und ein Zimmer stehe auch für ihn bereit. Im Vergleich zu der erhaltenen E-Mail fiel seine Antwort fast schon geschwätzig aus.
Ein leises Wimmern lenkte ihn vom Schreiben ab. Als er zur Seite schaute, entdeckte er Zeke, der vor der Tür stand und offensichtlich nach draußen wollte. Steven ließ den Hund auf den Hof.
Es war noch nicht ganz dunkel, aber hier und da standen schon ein paar Sterne am Himmel, und ein Dreiviertelmond lugte über den Horizont wie ein Schauspieler, der hinter den Kulissen auf seinen Auftritt wartete.
Zeke trottete eine Weile schnuppernd über den Hof, erledigte sein Geschäft und kam zurück zur Tür. Kaum war er wieder im Bus, begab sich der Hund zielstrebig in Matts Zimmer.
Steven war hellwach. Internet und Fernsehen hatten nichts Interessantes zu bieten. Also setzte er sich auf die ausklappbare Treppe vor der Eingangstür zum Bus und betrachtete, was er in der Düsternis von seiner Ranch erkennen konnte.
Tolle Ranch, dachte er. Die meisten Zäune haben den Geist aufgegeben, die Scheune ist bestimmt schon vor zehn Jahren in sich zusammengebrochen, und das Haus ist eine einzige Katastrophe.
Seufzend fuhr er sich mit der rechten Hand durchs Haar, was er immer tat, wenn er an seinen eigenen Entscheidungen zweifelte. Sein Dad und Conner hatten versucht, ihn davon zu überzeugen, in Colorado zu bleiben und Matt auf dem Anwesen der Familie großzuziehen. Eine Anwaltskanzlei hätte er auch in Lonesome Bend aufmachen können.
Er war sich nicht sicher, ob die beiden verstanden, warum er etwas Eigenes auf die Beine stellen und etwas Neues für sich und Matt und alle möglicherweise nachfolgenden Generationen erschaffen musste.
Um ehrlich zu sein, wusste er selbst nicht so genau, ob er das überhaupt verstand.
Die Creed-Ranch gehört rein rechtlich Conner, überlegte Steven. Nein, sie gehört Conner und Brody zusammen. Ihr Dad, der ums Leben gekommen war, als die Brüder noch Babys waren, war Davis’ älterer Bruder gewesen – und damit der Erbe des kleinen Königreichs. Niemand wusste ganz genau, wo sich Conners Zwillingsbruder momentan aufhielt. Es war zu einer Auseinandersetzung mit Conner gekommen, danach hatte Brody die Ranch verlassen, und abgesehen von ein paar Weihnachtskarten mit knappen Grüßen hatte die Familie seit zehn Jahren nichts mehr von ihm gehört.
Conner, der wie im Gleichnis vom verlorenen Sohn der gute ältere Bruder war, hatte Seite an Seite hart mit Davis gearbeitet, um die Ranch rentabel zu machen, und trotz der ständigen wirtschaftlichen Schwankungen und der ebenso unbeständigen Fleischpreise warf sie immer noch Gewinne ab.
Früher war Steven zwischen dem Zuhause seiner Mutter im Osten – wo er vom Herbstanfang bis zum Ende des Frühjahrs lebte – und der Ranch, die sein eigentliches Heim gewesen war, gependelt und sehr eifersüchtig auf seine beiden Cousins gewesen. Die Zwillinge, die zwei Jahre jünger waren als er, konnten das ganze Jahr auf der Ranch leben, und Davis war für sie der Ersatzvater, der er für Steven die meiste Zeit des Jahres nicht sein konnte, weil die Entfernung zwischen Lonesome Bond und Boston einfach zu groß war.
So hatte Steven mehr oder weniger zwei verschiedene Leben geführt. Im Sommer war er der Junge auf der Ranch, der Cowboy. Auf dem Pferd sitzend trieb er das Vieh übers Land, reparierte Weidezäune, badete im See, raufte mit seinen Cousins wie ein Wolfsjunges im Rudel und machte bei Rodeos mit.
Dann kam der Herbst, natürlich immer viel zu schnell, und er saß im Flugzeug, trug ordentliche Kleidung statt Jeans, T-Shirt und alten Stiefeln, und sein Haar war wieder kurz geschnitten und gebürstet.
In Boston spielte er Tennis und hatte einen Platz im Ruderteam, er verabredete sich mit Mädchen, deren Eltern einen Treuhandfonds für ihre Töchter angelegt hatten. Er war noch recht jung, als er im ausladenden Herrenhaus seines Großvaters bereits eine aus mehreren Zimmern bestehende Suite bewohnte. Und alle waren der festen Überzeugung, dass er eines Tages in der angesehenen Anwaltskanzlei mitarbeiten würde, die lange vor dem Bürgerkrieg gegründet worden war. Seine Mutter, zwei seiner Onkel und natürlich Granddad sorgten dafür, dass das Familienunternehmen weitergeführt wurde.
Die Schule erwies sich für Steven zumindest anfangs als schwierig, was seine Mutter sehr beunruhigte. Aber er biss sich durch, schaffte alle Abschlüsse und brachte auch das College und das Jurastudium hinter sich.
Weitere Kostenlose Bücher