Die Creeds: Wenn ein Herz nach Hause kommt (German Edition)
Überlegen.
„Einverstanden.“
Sie reichten einander die Hände, dann machte Tom kehrt und ging zu seinem Wagen.
„Vergiss nur eines nicht!“, rief er ihr von dort aus zu.
„Was?“, fragte Melissa, die gerade die Haustür aufschloss.
„Was du kannst, kann ich schon lange“, antwortete er, setzte sich in den Streifenwagen und ließ den Motor an, während Melissa überlegte, was diese Bemerkung bedeuten sollte. Er ließ die Sirene einmal kurz aufheulen, als er losfuhr, und dann war er auch schon um die nächste Ecke gebogen und außer Sichtweite.
„Verdammt“, murmelte sie, als sie dahinterkam. Sie hatte ihn herausgefordert, und nun würde Tom nachts wach im Bett liegen und sich etwas ausdenken, womit er sich revanchieren konnte. So wie sie ihn kannte, dürfte das etwas ganz Gemeines werden. Doch sie machte sich jetzt keine weiteren Gedanken darüber, weil es Wichtigeres zu tun gab. Zum Beispiel musste sie bei Ashley ein Hauptgericht und einen Nachtisch aus einer der Kühltruhen holen. Dabei würde sie sich garantiert erneut der wilden Meute stellen müssen, die textilfrei irgendwelchen Beschäftigungen nachging.
„Wenn du das nächste Mal jemanden zum Essen einladen willst“, sagte Steven, während er im Rückspiegel den mürrischen Matt beobachtete, „dann wäre es wirklich gut, wenn du
vorher
mit mir darüber reden würdest.“
Matt war absolut nicht der Typ, der schmollte, doch die vorgeschobene Unterlippe und sein wiederholtes Zwinkern waren sichere Anzeichen dafür, dass er jeden Moment in Tränen ausbrechen würde.
Wenn Matt erst mal zu weinen anfing, war Steven jedes Mal am Boden zerstört.
„Ich wollte nur ein guter Nachbar sein“, erklärte der Kleine und hörte sich so verletzt an, wie er aussah. „Außerdem
mag
ich Miss O’Ballivan. Du nicht?“
„Doch“, antwortete er und hielt das Lenkrad einen Moment etwas fester umklammert. „Ich weiß ja, dass du es gut gemeint hast“, fuhr er ruhiger fort. „Aber wenn der Betreffende schon andere Pläne hat oder eigentlich gar nicht eingeladen werden möchte, dann bringst du ihn in eine Zwickmühle, weil er sich nicht aus der Affäre ziehen kann, ohne das Gesicht zu verlieren.“
Matt lauschte schweigend, ab und zu schniefte er leise.
„Verstehst du, was ich damit sagen will?“, hakte Steven in sanftem Tonfall nach.
„Ja, ich verstehe das“, gab der Junge zurück. „Ich bin hochbegabt, oder hast du das schon vergessen?“
Steven musste lachen. „Das kann ich gar nicht vergessen.“
„Bist du sauer auf mich?“
Ein Stich ging durch Stevens Herz, als er diese Frage hörte. „Nein“, erwiderte er. „Wenn ich dich wegen irgendeiner Sache ermahne, heißt das nicht, dass ich böse auf dich bin. Ich will dann nur, dass du nächstes Mal gründlicher nachdenkst, bevor du den Mund aufmachst.“
Matt seufzte laut, während er in seinem Kindersitz saß und einen Arm um Zeke gelegt hielt, der leise hechelte, aber erstaunlicherweise so neben dem Jungen kauerte, dass er Steven nicht die Sicht im Rückspiegel nahm.
„Irgendwie ist das komisch, wenn ich ‚Steven‘ zu dir sage“, erklärte er nach einer Weile. Er schaute dabei aus dem Fenster, doch Steven genügte ein Blick in den Innenspiegel, um zu erkennen, welche Anspannung der Junge zu überspielen versuchte.
„Wer behauptet denn so etwas?“, erkundigte er sich behutsam. Es waren Unterhaltungen dieser Art, die ihm jedes Mal Bauchschmerzen verursachten.
„Ich“, antwortete Matt leise.
Vor ihnen kam die Zufahrt zur Ranch in Sichtweite. Steven setzte den Blinker und verließ die Landstraße. „Was würdest du denn lieber zu mir sagen?“, fragte er.
„Dad“, lautete Matts knappe Antwort.
Stevens Augen brannten, und die Tränen nahmen ihm einen Moment lang die Sicht.
„Aber irgendwie ist das nicht richtig, weil ich ja einen anderen Dad gehabt habe“, fuhr der Junge fort. „Meinst du, mein erster Daddy wäre böse auf mich, wenn ich zu einem anderen ‚Dad‘ sage?“
„Ich glaube, dein Dad würde vor allem wollen, dass du glücklich bist“, erwiderte Steven. Die Worte kamen nur erstickt über seine Lippen, doch zum Glück schien Matt das nicht zu bemerken. Sie erreichten das Ende des Feldwegs, wo Steven neben seinem alten Truck anhielt und den Motor abstellte. Dann saß er da und wusste nicht, was er sagen oder tun sollte.
„Wenn er
Daddy
war“, resümierte Matt, „dann glaube ich, dass es okay ist, wenn du
Dad
bist.“
Stevens Kehle war wie zugeschnürt,
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