Die Creeds: Wo die Hoffnung lebt
Vergangenheit lag hinter ihm. Ein Mann traf Entscheidungen und musste dann mit den Folgen leben, ob sie nun gut, schlecht oder gleichgültig waren.
Brody straffte die Schultern und ging weiter zu dem kleinen Blockhaus, in dem er schon viel zu lange hauste.
Er schaltete das Licht ein, als er über die Schwelle trat. Zwei von drei Neonröhren an der Decke waren ausgebrannt, die dritte flackerte bedrohlich, und es herrschte insgesamt eine trübsinnige Stimmung.
Die ursprüngliche Einrichtung war ausgeräumt, abgesehen von dem uralten Holzofen und dem langen Tresen, der früher der Anmeldung von Campern gedient hatte, als Joe McCall den Platz noch betrieben hatte. Brody schlief in einem Klappbett auf Rollen, das er sich von Kim und Davis ausgeliehen hatte. In den kleinen Toilettenraum hatte er eine Dusche einbauen lassen, und seine Wäsche wusch er entweder im Waschsalon an der Main Street oder draußen auf der Ranch. Außerdem gab es in dem Blockhaus eine Kochstation mit zwei Platten und einen Minikühlschrank, auf dem eine Mikrowelle von der Größe einer Streichholzschachtel stand. Sein Computer diente als Fernseher, DVD-Player und überhauptals Kommunikationsmedium.
Was für ein Leben.
Tricias Vater hatte die Hütte immer als Jagdhaus bezeichnet.
Brody nannte sie Blockhütte – oder Scheißbude, je nach Laune.
Und heute Abend war sie trotz seiner ernsthaften Bemühungen, seine Einstellung zu ändern, ganz eindeutig eine Scheißbude.
Er hatte sie GEKÜSST .
Sosehr Carolyn sich auch bemühte, auch nach dem Ausritt und der kurvenreichen Fahrt zurück in die Stadt kam sie nicht darüber hinweg, dass Brody Creed die Dreistigkeit, die unglaubliche Unverschämtheit besessen hatte, sie zu küssen, nach allem, was er ihr angetan hatte.
„Nicht zu fassen“, sagte sie in der Küche ihrer Wohnung zu Winston, als sie ihm seine abendliche Trockenfutterration vorsetzte. „Der Mann ist unglaublich .“
„Riau“, bestätigte Winston, trottete jedoch zielstrebig zu seinem Futternapf.
Immer noch aufgewühlt, schob Carolyn zuerst den einen, dann den anderen Ärmel hoch. Sie hatte Hunger, aber nicht genug, um zu kochen. Ihr fielen die platten Mortadella-Sandwichs vom Mittag ein, und sie ging nach unten, holte sie aus dem Kühlschrank in Nattys früherer Küche und polterte gleich darauf wieder die Innentreppe hinauf.
Eines der eingewickelten Sandwichs verstaute sie in ihrem eigenen Kühlschrank, vom anderen entfernte sie langsam die Plastikfolie.
Winston fraß immer noch.
Carolyn wusch sich die Hände und setzte sich zu ihrer Nähmaschine, der Tagespost und einer Tasse Kräutertee an den Tisch.
„Ich spreche mit einer Katze“, sagte sie zu der Katze.
Winston hob den Blick nicht von seinem Napf.
„Das ist jämmerlich“, fuhr Carolyn fort. Sie nahm einen Bissen von ihrem matschigen, geschmacksneutralen Sandwich. Die Brotrinden wellten sich bereits, doch das hielt sie nicht ab. Es ging ihr schließlich nicht um gepflegtes Speisen, sondern darum, dass ihr Magen aufhörte zu knurren. „ Ich bin jämmerlich. Und weißt du was, Winston? Ich bin meinem Ziel nicht einen Zentimeter näher gekommen als letztes Jahr oder vorletztes Jahr oder dem Jahr davor …“
Endlich hörte der Kater auf zu fressen und bedachte sie mit einem tadelnden Blick, weil sie mit vollem Mund redete. Dann verschlang er den Rest seines Abendbrots.
Carolyn bot ihm ein Stück von ihrem Sandwich an, doch er mochte kein Menschenfutter, abgesehen von Sardinen.
„Du wolltest mich warnen, stimmt’s?“, plapperte sie weiter, warf den Rest ihres Abendbrots in den Müll und wusch sich noch einmal die Hände. Anschließend drückte sie einen Klecks Handcreme in eine Hand und massierte sie energisch ein. „Du hast deine Meinung über Brody Creed deutlich kundgetan. Aber habe ich auf dich gehört? War ich auf der Hut?“
„Miauuu“, machte Winston matt.
„Das ist doch lächerlich“, fuhr Carolyn nun an sich selbst gewandt fort. War es besser, mit sich selbst zu reden als mit einem Haustier? Es war wohl so ziemlich dasselbe. „Ich muss mich zusammenreißen und etwas Konstruktives tun.“
Inzwischen hatte sich Winston in seinem Körbchen zusammengerollt, gähnte, legte mit typischer Katzenanmut seinen Schwanz um sich und schlief ein.
„Langweile ich dich?“, fragte Carolyn zuckersüß. Natürlich erhielt sie keine Antwort. „Mich selbst langweile ich wirklich.“ Sie ging zum Laptop, rückte den Stuhl zurecht und setzte sich. Drückte die
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