Die Cromwell Chroniken - Schicksals Pfade (German Edition)
wissen.
„Ich bin mir nicht sicher. Ich weiß nur, wo die Quelle dieses Übels ist. Ich kann es fühlen. Es ist … wie ein Grashalm, der an der falschen Stelle wächst. Weißt du, was ich meine?“
Tamara lächelte schief. „Ich kann es mir halbwegs vorstellen. Wo ist es denn?“
Das Elementar deutete nach Süden.
„Dort! Oben auf dem Hügel.“
Auf dem Hügel … Dort, wo ich Joe gefunden habe , schoss es ihr durch den Kopf. Hat er nicht dort oben sein Motorrad stehen?
Sie erhob sich.
„Danke, kleiner Elementar. Du hast der Natur einen großen Dienst erwiesen. Dein Name wird in die Geschichtsbücher eingehen. Wie heißt du doch gleich?“
„Pfff, Papperlapapp! Namen sind was für Organische!“, keifte der Winzling verächtlich.
„Na, wenn das so ist … Dann mach es gut, Winzling.“
Wird Zeit, dass ich mir diesen Hügel mal genauer ansehe.
Gracianos Blick zuckte in Richtung Tür, wo zwei Ärzte und etliche Pfleger den Gang hinabeilten. Zur gleichen Zeit explodierte Mario Petzold vor ihm. Er schien den Tumult draußen gar nicht zu bemerken. Er schimpfte, fluchte und hatte alles um sich herum vergessen.
Der junge Wächter war hin und her gerissen. Auf der einen Seite wollte er bei dem Notfall helfen. Auf der anderen Seite kümmerte sich ja bereits ein Team um den Betroffenen. Zudem wäre es in höchstem Maße unhöflich gewesen, seinen Patienten erst aufzuregen und ihn dann alleine mit seinem Ärger zu lassen.
Der Student wurde aus seinem inneren Zwiespalt herausgeholt, als das Fluchen plötzlich wieder verstummte. Stattdessen fing Mario Petzold an, unkontrolliert zu zucken. Erschrocken starrte Graciano erst auf den Patienten, dann auf die Monitore. Zu seinem Entsetzen waren die aber überhaupt nicht angeschlossen. Der Patient befand sich nicht in einen kritischen Zustand, daher hatte man darauf verzichtet, seine Vitalfunktionen zu überwachen.
Oh Gott, in was für eine Lage bringst du mich da? , betete der junge Wächter stumm.
Er eilte auf den Gang und schrie aus Leibeskräften: „KANN MIR MAL JEMAND HELFEN? HALLO? ICH BRAUCHE EINEN ARZT! HIERHER!“
Doch es kam niemand. Die behandelnden Ärzte waren alle am anderen Ende der Station, um ein anderes Leben zu retten.
Schnell rannte er zurück zum Bett des Patienten.
„Herr Petzold, können Sie mich hören? Herr Petzold? Ich werde Ihnen helfen, machen Sie sich keine Sorgen.“
Aber Herr Petzold war nicht in der Lage, irgendetwas wahrzunehmen. Er hatte bereits das Bewusstsein verloren. Sein Atem ging stockend und setzte immer wieder aus. Graciano hatte Angst.
Herr, bitte lass diesen Mann nicht sterben! Ich bitte Dich, Gott, schenke ihm neue Gesundheit!
Er schloss die Augen und faltete die Hände zum Gebet. Er hatte das Gefühl, unter Zeitdruck zu stehen, und so verkrampfte sich alles in ihm. Der Student wusste, dass er genau das Gegenteil von dem bewirkte, was er erreichen wollte, doch er konnte sich einfach nicht dazu bringen, sich von den schaurigen Bildern des blau anlaufenden Mario Petzold zu lösen.
Allmächtiger, bitte schenke mir Ruhe. Wenn Du es willst, dann sende mir Deine Liebe, Dein Licht und Deinen Segen. Benutze mich als Dein Werkzeug, damit dieser Mensch durch Dich heil werde.
Graciano spürte, wie sein Puls sich verlangsamte und sein Herz gleichmäßiger schlug. Friede durchflutete ihn und verhalf ihm zur inneren Einkehr. Er bemerkte, wie seine Hände warm wurden. Schließlich breitete sich eine angenehme Hitze in seinem ganzen Körper aus. Als würde er mitten im strahlenden Sonnenschein stehen, so erfüllt war Graciano von der göttlichen Kraft. Die Empfindung wurde so intensiv, dass es sein Herz anrührte. Er wusste, dass jetzt der Moment gekommen war. Jetzt würde es ihm erlaubt sein, den Patienten zu heilen.
Seine Hände lösten sich aus der Gebetshaltung und bewegten sich nach vorne. Einen halben Zentimeter über Mario Petzolds Brust kamen sie zum Halt. Graciano konnte fühlen, wie das Leben durch seine Hände pulsierte und von dort aus in den Körper des Patienten drang. Schweigend, betend verharrte er so. Er wusste, er würde ein Zeichen erhalten, sobald sein Werk vollbracht war. Zeit und Raum schienen nicht mehr zu existieren. Seine Umgebung und die dazugehörenden Geräusche waren gänzlich in den Hintergrund getreten. Er war eins mit seinem Schöpfer und es gab kein größeres, bewegenderes Gefühl als dieses. Gelebte Harmonie – mit sich und der Welt im Einklang.
Graciano war es schon mehrmals vergönnt
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