Die Cromwell Chroniken - Schicksals Pfade (German Edition)
offen! Ganz schön leichtsinnig, dieses Magiervölkchen! Wohl schon alle senil. Kein Wunder – bei dem Alter.
Er zuckte mit den Schultern und betrat das Anwesen. Die Tür warf er hinter sich ins Schloss und folgte dem geteerten Weg. Ein Rabe, der in der Nähe über den Rasen hüpfte, warf ihm einen interessierten Blick zu.
„Glotz nicht so dämlich, du dummes Federvieh!“, rief Valerian ärgerlich in Richtung des schwarzen Vogels.
Dieser sah ihn vorwurfsvoll an, machte zwei große Hüpfer und erhob sich dann träge in die Lüfte.
Leise schimpfend näherte sich der Unsterbliche dem Haus. Dort marschierte er auf die Eingangstür zu und drückte den Klingelknopf. Eine altertümliche Melodie ertönte im Inneren.
Nach einer halben Ewigkeit, Valerian hatte bereits ein zweites Mal geläutet, öffnete sich die Tür und ein älterer Herr mit schlohweißem Haar stand vor ihm.
„Sie wünschen?“, hörte er eine tiefe Stimme fragen.
„Ich suche Herrn Vollmer. Heinrich Vollmer. Das müsste sein Haus sein.“
„In der Tat. Sie haben ihn gefunden.“
„Oh, Sie sind das?“
Der Mann vor ihm sah eher aus wie ein Butler.
„Ganz recht. Und mit wem habe ich die Ehre.“
„Oh … Entschuldigung. Ich bin Valerian Wagner. Ich komme von Cromwell.“
„Ah, Cromwell. Kommen Sie doch bitte herein.“
Damit zog er die Tür ganz auf und machte dem Studenten Platz. Valerian folgte ihm ins Innere.
„Es tut mir leid, dass Sie so lange warten mussten, Herr Wagner, aber ich habe dem Personal für den Rest des Sommers frei gegeben. Normalerweise halte ich mich zu dieser Jahreszeit nicht in Berlin auf. Darf ich Ihnen etwas anbieten? Ein erfrischendes Getränk? Einen kleinen Imbiss? Sie sehen hungrig aus, wenn ich das sagen darf.“
„Tja, da haben Sie leider ins Schwarze getroffen. Ich habe mein Mittagessen verpasst“, nickte Valerian.
Pietätvolle Zurückhaltung kannte der Unsterbliche nicht. Er war froh, dass endlich jemand Verständnis für seinen Appetit zeigte.
„Dann folgen Sie mir doch bitte in die Küche. Ich werde sehen, was ich für Sie tun kann“, bat sein Gastgeber.
Nur zu gerne. Mit einem breiten Grinsen lief er hinter dem alten Mann her. Ihm gefiel der Ort bereits jetzt.
Nachdem Valerian ein frühes Abendessen eingenommen hatte, hatte Vollmer ihn gebeten, in den ersten Stock zum Salon zu gehen und es sich dort gemütlich zu machen. Valerian, der sich bisher mehr auf sein Essen als auf ein Gespräch mit dem älteren Mann konzentriert hatte, willigte ein. Auf dem Weg nach oben sagte er dem Fahrer Bescheid, dass er heute nicht mehr abgeholt werden müsse. Vollmer hatte ihm angeboten, hier die Nacht zu verbringen, und selbst wenn er das Angebot ausschlagen sollte, dann würde er schon einen anderen Weg nach Cromwell finden.
Notfalls hat der alte Herr sicher ein paar Autos mit Chauffeuren.
Valerian lehnte sich in dem schon etwas muffigen, aber doch sehr bequemen Sessel zurück. Plötzlich setzte er sich jedoch ruckartig wieder auf. Er meinte, hinter sich ein leises „Psst!“ vernommen zu haben.
Du irrst dich, da war nichts.
Sicherheitshalber drehte sich der Unsterbliche aber doch um und linste hinter die große Lehne.
Niemand da.
„Pssst!“
Diesmal war er sich sicher, etwas gehört zu haben – und zwar von der linken Seite. Valerian kniff die Augen zusammen und versuchte, etwas zu erkennen.
Nichts.
Er sah zur Decke, an der Wand entlang, auf den Boden, unter den Sessel. Das bildest du dir ein. Da ist niemand.
„Hier bin ich doch, du Doofi!“, wisperte es ganz leise.
Valerians Kopf war so schnell hochgeruckt, dass er mit einem fremden Kinn in schmerzhaften Kontakt trat.
„Au!“, jammerte es diesmal lauter.
Der Student hob den Blick und – sah nichts. Er rieb sich den schmerzenden Schädel.
Muss ein unsichtbares Kinn gewesen sein. Hmpf!
Die Erkenntnis traf ihn wie eine grobe Holzkeule. So kräftig, dass die Kopfschmerzen schlagartig vergessen waren. Seine Augen wurden schmal.
Unsichtbares Kinn – wie von einem unsichtbaren PSI-Gör?
„Maxi!“, zischte er dann. „Was hast du hier verloren? Bist du vollkommen irre? Bleib bloß unsichtbar! Wenn der Typ dich sieht, dann meint er, ich stecke mit dir unter einer Decke. Der ist eh schon alt und senil. Dem kann man so eine Aufregung nicht mehr zumuten. Der hat so PSIs wie dich sicher noch nie gesehen.“
„Aber Valerian, hör doch mal …“, versuchte sich das unsichtbare Mädchen zu Wort zu melden.
Vergebens.
„Ich hör hier gar
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