Die Cromwell Chroniken - Schicksals Pfade (German Edition)

hatte auch keinen Auftrag, ihn zu besuchen. Aber Graciano hatte gehört, wie zwei Pflegerinnen von ihm sprachen. Offenbar gehörte der Mann zu der Sorte Patienten, die das Personal nur sehr ungern verlor. Er war ruhig und umgänglich, war so selbstständig, wie es ihm die Krankheit erlaubte, und befolgte jede Anweisung des Arztes.
    Ein Musterpatient.
    Trotzdem verschlechterte sich sein Gesundheitszustand zunehmend und das stimmte den Studenten traurig. Er wollte Herrn Merz einfach helfen – so wie er damals Valerian geholfen hatte, als der von dem Untoten angegriffen worden war.
    Wenn ich kann …
    Natürlich musste er dabei sehr diskret vorgehen. Er hatte vor, so lange wie möglich zu warten und dann, wenn der Patient das Bewusstsein verlieren würde, mit der Heil spendenden Fürbitte zu beginnen. Sollte er wirklich in der Lage sein, dem Patienten zu helfen, dann würde sich auch gewiss niemand über ihn beschweren. Vielleicht würde es nicht einmal bemerkt.
    Und dann habe ich meine Prüfung bestanden.
    Der Student war zu der Erkenntnis gelangt, dass man ihn hierher geschickt hatte, um nicht weniger als ein Wunder zu vollbringen. Anders konnte er sich den Dienst hier nicht erklären.
    Einfach nur reden kann Pfarrer Weyer auch ohne mich.
    Und wenn es Gottes Wille war, dann würde er schon bald durch den Studenten so ein Wunder vollbringen. Seine Mundwinkel hoben sich, als er Fabian Merz antwortete: „Das macht nichts. Das macht rein gar nichts. Ich bin nur hier, um Ihnen ein wenig Gesellschaft zu leisten.“

Kapitel 39
    Diesmal muss ich einfach mehr Glück haben. Ich kann sie doch nicht immer verpassen , dachte Flint, als er die Tür zum Internetraum hinter sich schloss.
    Es dauerte nicht lange, schon hatte er den Rechner hochgefahren und startete das Chatprogramm. Er war direkt nach der Sitzung mit Professor Desmondo hierhergekommen. Er brauchte sie jetzt.
    Das Schicksal meinte es gut mit Flint.
    „ chatte online“
    Sie hatte bereits auf ihn gewartet.
chatte:
hallo flint!
ich dachte schon
wir würden uns gar nicht betreffen
chatte:
;-)
    Es tat gut Katharina online vor sich zu haben.
    Auch wenn es kein Ersatz für das Original ist.
    Endlich war jemand da, der ihn verstand. Obwohl es ihm sonst schwerfiel, von sich zu reden, so wollte er sich nun einer anderen Seele anvertrauen. Jemandem, der ihm sagte, dass alles wieder gut würde. Er wusste zwar nicht, ob er die Erlaubnis hatte, über Inhalte der Prüfung zu sprechen, doch er brauchte sie jetzt. Er brauchte sie für seinen inneren Frieden. Das veranlasste ihn dazu, sich freiwillig zu öffnen.
umbra:
hallo katharina
ich kann dir nicht sagen, wie froh ich bin,
dass du da bist
chatte:
na, das freut mich natürlich!
was treibst du denn gerade?
umbra:
ich komme gerade von meiner prüfung
je länger sie dauert, desto schlimmer wird sie
umbra:
ich weiß nicht, wie ich das noch länger durchstehen soll
ich dachte, ich könnte mich darauf einstellen
aber so langsam zweifle ich daran
umbra:
=(
chatte:
:-(
das klingt gar nicht gut
was ist denn passiert?
umbra:
ich weiß nicht, ob ich über die details sprechen darf
aber sagen wir mal so:
umbra:
ich werde gezwungen mich mit meiner vergangenheit
auseinanderzusetzen
und es fällt mir … schwer
umbra:
du kannst dir vielleicht denken
dass ich in meinem leben
nicht nur schöne dinge erlebt habe
chatte:
hm …
das kann ich nachvollziehen
warum musst du das denn machen?
umbra:
tja, das habe ich mich auch schon gefragt
als antwort kommt immer dasselbe:
es ist ein test, ob ich stark genug bin
chatte:
?
das verstehe ich nicht
was hat das mit stärke zu tun?
umbra:
sie wollen sehen, wie lange ich das durchhalte
wie lange ich es ertragen kann, mir all diese …
… mich dem zu stellen
umbra:
aber je länger sie das mit mir machen,
desto mehr glaube ich, dass sie mich
nur in den wahnsinn treiben wollen
chatte:
wenn du das wirklich glaubst,
dann solltest du zu fowler gehen
desmondo darf das nicht mit dir machen!
umbra:
du meinst, fowler würde sich einmischen?
er hat in ordensdingen nicht mitzureden
er ist nur unser rektor
chatte:
und als unser rektor ist es seine aufgabe
seine studenten vor schaden zu bewahren
und das macht desmondo!
umbra:
*schüttelt den kopf*
der wird mir nicht helfen können
chatte:
*sieht ihn unglücklich an*
das gefällt mir nicht
ich komme zurück nach cromwell
    Flint sah geschockt auf den Bildschirm. Er hatte zwar vermutet, dass Cat sich aufregen würde, weil sie auf seiner Seite stand.