Die da oben - Innenansichten aus deutschen Chefetagen
Welt zugewandtes Interesse, wollte die Welt, so wie sie ist, verstehen. Das geht nicht, ohne zu verstehen, wie Banken, wie Finanzen funktionieren. Finanzen sind das Nervensystem einer Volkswirtschaft. Wenn die Finanzbranche krank ist, funktioniert der Rest auch nicht. Wenn mal eine andere Branche leidet, beispielsweise die Textilindustrie ein Problem hat, redet niemand von einer großen Krise. Die ganz großen Wirtschaftskrisen hatten immer etwas mit Finanzen zu tun. Das Gesamtsystem ist nur dann gefährdet, wenn der systemische Zusammenhang gefährdet ist: der Tausch.
Wenn man in der Wirtschaft arbeitet, ist die größtmögliche Abstraktion, mit Geld zu handeln.
Dass unsere Ware abstrakt, anonym ist, scheint vielleicht wie ein Vorteil, ist aber in Wahrheit ein Nachteil. In der industriell gefertigten Produktion ist gerade der Unterschied im Gebrauchswert alles. Das ist im Bankgeschäft genau umgekehrt: Es ist geprägt vom Mangel an Unterschied. Geld macht alles gleich. Wir sind die Experten in der Gleichnamigkeit, spezialisiert auf den Tauschwert.
Ihre Karriere begann in der Industrie.
Ich arbeitete beim Batteriehersteller Varta, als ich 1985 ein Angebot von der Deutschen Bank bekam. Erst war ich sehr skeptisch. Banken produzieren nichts. Die leben davon, dass die anderen Geld brauchen. Das verlangen sie zurück. Mit Zinsen.
Ihre Skepsis gegenüber den Banken hat damals die gesamte Linke geteilt.
Vorsicht! Die Nazis haben die Unterscheidung von Realkapital und Finanzkapital bereits strapaziert. Danach war das Realkapital schaffend, das Finanzkapital war raffend – und jüdisch. Banken sah man nie als ehrenvolles Gewerbe. Schon Jesus hat die Geldmenschen aus dem Tempel geworfen. Das kanonische Zinsverbot ist eine katholische Erfindung. Auch der mittelständische Unternehmer, wie mein Vater einer war – der mag die Banken nicht. Nie in der Geschichte gab es eine Gesellschaft, die der vollen Überzeugung war: Das sind nun unsere Eliten.
… in den vergangenen Jahren wurden die Banker gefeiert …
… eine Übertreibung, die gerade korrigiert wurde.
Banker selbst gaben sich immer elitär: im feinen, blauen Maßanzug …
… dahinter steckt ein Komplex. Das Bankgewerbe ist ja ein abgeleitetes Gewerbe. Wir nehmen Geld und verleihen es weiter. Letztlich ist ein Bankier immer nur so gut, wie seine Kunden es sind. Das Investmentbanking war der Versuch, sich von den Kunden zu lösen. Investmentbanker nehmen sich das Geld nicht von Einzelnen, sondern von liquiden Märkten. Sie geben es auch nicht an einzelne Kreditnehmer, sondern sie geben es in Form von Wertpapieren an Märkte. Das heißt, es gibt auf einmal eine Schicht, die hat immer mit Märkten zu tun, nicht mit Kunden.
Sie wählen das Wort Bankier. Ein fast altmodischer Begriff, bei dem etwas Vornehmes, Weltgewandtes mitschwingt.
Ja, ein Bankier, wie ich den Beruf verstehe, muss polyglott sein, gefällig, denn morgens muss er mit dem Stahlfabrikanten reden, mittags mit den Einlegern, die ihm viel Geld anvertrauen. Dieses Chamäleon braucht eine gewisse Form des Auftritts.
Vor allem seriös muss er sein. Sonst gibt ihm keiner sein Geld.
Ja! Leider reicht es allzu häufig, einen seriösen Eindruck zu erwecken. Weil er wie jemand wirken muss, bei dem Geld gut aufgehoben ist. Außerdem wie eine Person, die Geheimnisse, wenn es sein muss, mit ins Grab nimmt: Banker wissen alles. Die Kunden müssen sich ja total öffnen.
Die wichtigste Währung im Bankgeschäft ist Vertrauen.
Dass man dem Bankier vertraut. Er selbst vertraut ja niemandem. Das hat sich während der Finanzkrise gezeigt: Die Banken untereinander vertrauen sich nicht.
Sie haben sich trotz Ihrer wenig freundlichen Schilderung der Branche damals für die Deutsche Bank entschieden.
Ich habe mich für Alfred Herrhausen entschieden, der mich eingestellt hat …
… Herrhausen war Sprecher, also Chef des Vorstands in den 1980 er Jahren, bis er 1989 umgebracht wurde, vermutlich von der RAF …
Ich dachte mir: Wenn Herrhausen in der Deutschen Bank eine Chance sieht, solltest du es auch tun. Die Deutsche Bank war damals schon sehr elitär, wettbewerblich, mächtig. An Herrhausen hat mir imponiert, dass er nie leugnete, dass die Deutsche Bank Macht hatte. Es macht einen schon sehr misstrauisch, wenn eine mächtige Organisation sagt: Wir sind ohnmächtig. Herrhausen dagegen sagte: Gegen Macht an sich ist nichts einzuwenden. Ihr müsst nur sehen, dass sie nicht missbraucht wird. Wer das Wort Macht nicht
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