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Die Daemonen 01 - Die Daemonen

Die Daemonen 01 - Die Daemonen

Titel: Die Daemonen 01 - Die Daemonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Löwenkopf einen Menschen mit Würde und Anstand zu formen. Es gilt, keinen Tag zu verlieren, mein Sohn.«
    Minten verbeugte sich tatsächlich, wurde abgeführt und bekam als Buch eine historische Abhandlung über das Sechste Baronat ausgehändigt. Wie der große Magier Orison seine Stadt in der Mitte dieser gigantischen Halbinsel gründete, schillernd und hoch wie die Wolkenpeinigerberge selbst, und wie er von Orison-Stadt aus neun Linien durch das Land zog – rote Linien, mehr als zwanzig Schritt tief ins Erdreich getrieben, wie später bei Ausgrabungen festgestellt wurde –, um so die neun Baronate zu schaffen. Wie das Sechste Baronat somit die östliche Hälfte der Brüchigen Berge zugeteilt bekam sowie die Verwaltungsgewalt über den unheimlichen Dämonenschlund. Wie die Küstenstädte Icrivavez, Kurkjavokund Saghi gegründet und die Handelsbeziehungen zu den anderen Baronaten aufgenommen wurden. Wie die Barone in jedem Baronat drei Schlösser errichteten und wie sich nur im Sechsten und im Dritten Baronat die kluge Tradition herausgebildet hatte, Frauen die Baronswürde zu verleihen, während die übrigen sieben Baronate altmodisch in den Händen von Männern verblieben. Wie die drei größten Gefahren, denen das Sechste Baronat in Jahrtausenden des Friedens und des Wohlstandes entgegenstehen musste, eine schreckliche Sturmflut, die die gesamte Südküste Orisons verwüstete, ein Wirbelsturm, der das Vierte, Fünfte und Sechste Baronat heimsuchte, sowie ein blutiger Grenzkonflikt mit dem Siebten Baronat vor zweieinhalb Jahrhunderten waren. Die Vorstöße der barbarischen Coldriner waren nie bis zum südlich gelegenen Sechsten Baronat gelangt. Die Piraten, die früher die Grüne See von den Inseln Rurga und Kelm aus in Unruhe versetzt hatten, gab es längst nicht mehr.
    In der zweiten Woche von Minten Liagos Zellenstudium hatte Elell eines Nachts, als Minten noch im unsteten Licht der Feuerstellen zu lesen und abzuschreiben versuchte, eine Ratte erbeutet. Akribisch mit zwischen den Lippen hervorschauender Zungenspitze begann der kleine Mann damit, dem noch lebenden Tier die Beine und den Schwanz auszureißen.
    »Was glotzt du so blöd?«, herrschte er Minten an. »Regt dich das jetzt plötzlich auf, bei einem Säugetier, ja? Bei Insekten hast du nichts gesagt! Glaubst du etwa, dass Insekten keinen Schmerz verspüren? Oh, aber sehrwohl, man kann es doch ganz genau sehen, wie sie dem Schmerz davonkriechen wollen mit zuckendem Leib, doch der Schmerz kommt immer mit. Bei einer Ratte ist das nicht anders. Oder du störst dich am Kreischen! Ist es das? Das winzige Kreischen? Fluch über dich, wenn es dir wie allen anderen Menschen auch immer nur um dich selber geht! Solange der hohe Herr nicht beim Lesen gestört wird, kann der kleine Elell tun und lassen, was er möchte, aber sobald es laut wird und unangenehm, schau ich mal auf von meinem schlauen Büchlein und glotze ihn blöd an! Soll ich was mit ihren winzigen Stimmbändern machen, bevor ich ihr …«
    Mit zwei Schritten war Minten bei ihm, hatte den Kleineren gepackt und schmetterte ihn mit großer Wucht gegen das Zellengitter. Eigentlich hatte Minten nichts anderes vorgehabt, als Elell endlich zum Schweigen und Aufhören zu bringen, aber als er das kleine verkrampfte Bündel behaarter Boshaftigkeit nun in Händen hielt, schlug er es noch zweimal gegen die Stäbe. Weil Elell es verdiente. Weil es guttat. Merkwürdig gut.
    Sofort ging in den Nachbarzellen das Getöse los.
    »Tumult!«
    »Schlägerei!«
    »Ausbruch! Ausbruch! Ausbruch!«
    Taisser Sildien hielt Minten zurück und quasselte beruhigend auf ihn ein. Doch der Ablauf der Ereignisse war nicht mehr aufzuhalten. Soldaten fluteten die Zelle, prügelten sie alle drei gegen die Wände, durchsuchten sie auf das Peinlichste und führten sie dem Kerkermeister zu. Der Kerkermeister war riesig, glatzköpfig und lief immer mit nacktem Oberkörper herum, obwohl oderweil seine Schultern mit widerlichst anzusehenden Eiterpickeln übersät waren.
    »So, ihr habt noch überschüssige Kraft, ihr drei, was? Ich kann euch auch in die Bergminen schicken, wo die Mörder und Sittenstrolche hinkommen, wenn euch euer Aufenthalt hier zu langweilig ist!«
    »Aber das ist doch gar nicht der Fall«, begann Taisser Sildien zu erklären. »Mein Freund Minten genießt seine Studien, ich selbst die himmlische Ruhe hier unten, und unser Freund Elell vermag nachts nicht einzuschlafen, da kann es schon einmal passieren, dass er beim

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