Die Daemonen 01 - Die Daemonen
fürchtete die zartgliedrige Baroness desDritten Baronats einen von Süden oder auch Osten erfolgenden Angriff auf ihr Hauptschloss. Jinua, die aufgrund ihrer Bekanntheit im »Inneren Zirkel« umgehend und unter Dankesbezeugungen in den Kreis der Offiziere aufgenommen wurde, teilte ihr mit, dass sie genauso gut einen Angriff von Westen, nämlich aus dem Zweiten Baronat, erwarten sollte. Die Baroness verließ vollends derMut.
»Was soll ich nur tun?«, jammerte sie händeringend. »Als ob Coldrin im Norden nicht schon bedrohlich genug wäre – jetzt sind wir auch noch in allen anderen Himmelsrichtungen von Feinden umgeben! Und wir haben nicht einmal eine Küste, um uns mit Schiffen nach Rurga oder Kelm in Sicherheit zu bringen! Wir sitzen in der Falle!«
»Einen Ausweg gibt es noch, Baroness«, raunte Jinua.
»Einen Ausweg? Welchen denn?«
»Coldrin.«
»Coldrin?« Die Stimme der Baroness überschlug sich. »Coldrin ist kein Ausweg, sondern ein erhobenes Beil, das immer über uns schwebt!«
»Betrachtet es einmal aus Coldrins Blickwinkel. In ihrem Kampf gegen die Hauptstadt und gegen Euch entblößen das Zweite und das Vierte Baronat ihre Rücken. Wenn wir dem König von Coldrin jetzt einen ausgiebigen Plünderzug in diese beiden Baronate nahelegten, würde er wohl kaum widerstehen können. Und ein Angriff aus dem Norden gegen das Zweite und das Vierte Baronat würde die Hauptstadt entscheidend entlasten, und somit auch Euch, denn der König könnte Euch dann beistehen, anstatt belagert und festgesetzt zu sein.«
»Das ist genial!«, rief der Koordinator der Berggrenzen enthusiastisch aus. »Wir sollten unverzüglich Emissäre entsenden!«
»Aber wie«, gab er alte Koordinator der Schlösser zu bedenken, »sollen wir Coldrin anschließend in Schach halten, wenn Orison innerlich zerstritten ist? Was sollte König Turer von Coldrin davon abhalten, sich auch unser Baronat und sogar die Hauptstadt einzuverleiben?«
» Wir werden das tun!«, behauptete der junge Heereskoordinator stolz. »Wir, mithilfe unseres Königs. Außerdem wird den Coldrinern ja auch einiger Widerstand aus dem Zweiten und Vierten Baronat entgegenstehen. Das wird kein Spaziergang für Coldrin. Mit etwas Glück, Geschick und Gottes Hilfe werden sich alle unsere Gegner gegenseitig schädigen, und wir stehen hinterher stärker da als jemals zuvor!«
»Ja, dann, dann ...«, stammelte die Baroness und griff noch einmal auf, was der Koordinator der Berggrenzen vorhin gesagt hatte, »sollten wir wohl so schnell wie möglich Emissäre entsenden.«
»Nein«, wagte Jinua ihr zu widersprechen. »Lasstmich das erledigen. Mich und meinen Leibwächter.« Sie deutete auf den wahrlich furchterregend aussehenden Minten. »Unser junger König hat schon vor Monaten Emissäre nach Coldrin entsandt, und keiner von denen ist wieder zurückgekehrt. König Turer von Coldrin steht wahrscheinlich allem Offiziellen aus Orison äußerst misstrauisch gegenüber. Wenn nun aber zwei zwielichtige Gestalten wie wir ihm einfach einen Vorschlag unterbreiten, wie er und wir an reiche Beute kommen können, wird er sich mindestens von der Machbarkeit überzeugen wollen.«
»Also gut«, hauchte die Baroness, nachdem sie sich fragend im Rund der Baronatsaudienz umgeblickt und überwiegend Zustimmung geerntet hatte. »Versuche es, Jinua Ruun. Mit unserem und Gottes Segen zwar, aber ohne offiziellen Auftrag.«
Jinua nickte und verbeugte sich tief. »Wir brechen unverzüglich auf.«
Die Baroness stellte ihnen zwei Reitpferde und ein Packmaultier ohne jegliche baronischen Brandzeichen zur Verfügung, außerdem einen Führer, der sie auf sicheren Pässen durch die mächtigen Berge bringen sollte. Darüber hinaus bekamen alle drei noch jeweils ein Schwert, einen Kurzbogen, reichlich Proviant, warme Schlafdecken und winterliche Hochgebirgskleidung zugeteilt.
Auf dem Ritt nach Norden zupfte Minten immer wieder an seinen Bandagen, die juckten und kratzten, aber Jinua riet ihm: »Lass das alles drauf. Leg höchstens deine gerissenen und genähten Lippen ein wenig frei. Je erschreckender du aussiehst, desto besser ist das für uns in Coldrin.«
Minten war wenig begeistert. »Wie viele Zähne habe ich verloren?«
»Kannst du das nicht fühlen mit der Zunge?«
»Ich fühle gar nichts mehr. Alles ist entweder taub oder tut entsetzlich weh.« Das Wort »entsetzlich« klang bei ihm wie »entetslits«. Sprechen fiel ihm sehr schwer.
»Sieben, acht. Vielleicht neun oder zehn. Je nachdem,
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