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Die Daemonen 01 - Die Daemonen

Die Daemonen 01 - Die Daemonen

Titel: Die Daemonen 01 - Die Daemonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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plötzlich auf Coldrins Seite stehen, wenn sein einzigesLebensziel war, Orison ein guter König zu sein? Wie verwirrend war doch die Welt im Vergleich zum eintönigen, aber immerhin auch verlässlichen Mahlen des Strudels!
    In finsterer Nacht flog er zurück nach Orison-Stadt. Noch nie zuvor war er so lange vom Körper Tenmacs getrennt gewesen, und er spürte Mattigkeit, aber auch ein furchtbares Sehnen und Ziehen in Richtung des ewigen Dämonenschlunds. All diese Qualen ließen erst nach, als er wieder in den mittlerweile wohlvertrauten Körper des Kaisers zurückgeschlüpft war.
    Er erhob sich und gönnte sich einen langen, erholsamen Spaziergang durch diesen belagerten Mittelpunkt des Landes. Er sah Wachtposten unverdrossen ihren Dienst auf den Stadtzinnen versehen, ihren Kaiser erkennen und freudig grüßen. Er sah Frauen, die im Schein von Fackeln, Lampions und Kerzen Wäsche wuschen, weil am Tage wahrscheinlich wieder Pfeile und Steine über die Mauern geflogen kämen und jede Tätigkeit unter freiem Himmel gefährdeten. Er sah sogar Kinder, die unter dem Mond herumtollten und in den am härtesten umkämpften Bezirken unter den Trümmern nach Gegenständen suchten, die man beim Verteidigen und Standhalten noch brauchen konnte. Er sah ein sehr schönes Mädchen, das ihm aus dem erleuchteten Fenster eines zweiten Stockwerks zunickte, und er erinnerte sich daran, dass sein Körper der eines sechzehnjährigen Knaben war, der die Liebe noch nie gekostet hatte. Überhaupt die Liebe. Wie viel hatte er über sie in Tenmacs wohlsortierter Bibliothek gelesen, aber sie irgendwo mit Sicherheit feststellen und festhalten zu können, schien ihmso gutwieunmöglich. Er sah streunende, möglicherweise in der Belagerung herrenlos gewordene Hunde und Katzen und verfolgte, wie sie sich neu einrichteten in ihrem nur wenige Jahre dauernden Leben, ohne zu klagen oder zu verzweifeln. Er sah die Vögel, die in den Bäumen schliefen, dicht an dicht und voller Furcht, ob die Sonne jemals wiederkehren würde. Und dann, wenn es wie jeden Morgen so weit war, sprudelte die ganz unverfälschte Freude als Gesang aus ihnen heraus.
    Das Leben war von einer ganz eigentümlichen, zarten Schönheit, selbst in Zeiten des Krieges.
    Er weckte seinen Berater Tanot Ninrogin.
    »Tanot – ich möchte kein Kaiser mehr sein.«
    »Was? Wovon sprecht Ihr, Majestät?«
    »Ich habe mich da in etwas hineinzerren lassen, das von Anfang an dumm und peinlich war. Warum habe ich mich zum Kaiser gekrönt? Um der aufschneiderischen Baroness eins auszuwischen? Um sie und Helingerd in die Schranken zu weisen? Ich hätte das niemals tun dürfen. Ich habe damit den Menschen nur jeglichen Glauben an Titel und Ränge erschwert. Ich bin, was ich bin: ein König nur, und hoffentlich kein schlechter.« In Gedanken setzte Gäus noch hinzu: Ich würde mich gerne auch einfach nur einen Menschen nennen, aber ich fürchte, das ist für einen Dämon zu viel – oder zu wenig.
    Tanot Ninrogin nickte, während er sich hastig ankleidete. »Und dieser Gedanke ist Euch mitten in der Nacht gekommen?«
    »Ja. Ich war spazieren, draußen in der Stadt. Die Menschen, die mich erblickten, lächelten mich an, obwohl zu mir zu halten bedeutet, ein Gefangener zu sein und umzingelt von Feinden. Warum laufen sie nicht über und erleichtern sich ihr Los? Weil ich ihr König war, bevor ich ihr Kaiser wurde. Und während Meridienn den Dauren sich höher und höher schraubt in Selbstüberschätzung und Gier, bis nichts mehr da ist, was sie fressen, atmen oder beherrschen könnte, möchte ich zurückfallen auf jene Stufe, die wirklich und wahrhaftig die meine ist.«
    »Das habt Ihr gut formuliert, Majestät«, sagte Tanot Ninrogin – und drückte Tenmac plötzlich einen sehr schmalen Dolch gegen die Kehle.»Wer seid Ihr?«, zischte der alte Berater in einer grässlichen Mischung aus Furcht und Zorn. »Ich kenne Tenmac mein ganzes Leben – aber Ihr seid nicht er! Schon seit Monaten wundere ich mich über die Folgerichtigkeit und Tragkraft Eurer Gedanken. Ich hielt es für einen seltsamen Fall von… in die Bürde eines Königs hineinwachsen. Aber ich kann mir nichts mehr vormachen. Tenmac ist ein Junge, der über jede Teppichkante stolperte, der beim Essen immer einen Latz brauchte und der in Tränen ausbrach, wenn die Schlosskatze wieder eine Maus gefangen hatte. Seid Ihr ein Doppelgänger? Ein vorher geheim gehaltener Zwillingsbruder? Ein Gestaltwandler? Ein Magier, der alle Sinne täuschen

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