Die Daemonen 01 - Die Daemonen
brave Männer. Sieh, ich musste das allzu willige Schwert abtöten, um endlich Ruhe zu finden, und die kreischenden, hässlichen Singvögel abwehren, die mich umflatterten, um mich von meinem wahren und gerechten Weg abzubringen. Nun endlich bin ich voll und ganz ich selbst, ohne ständig zu ihr, der Verderberin, hingezogen zu sein. Jedoch Ruhe, Ruhe, mein Freund« – er lachte bitter, als besäße er ein Publikum –, »kann ich erst finden, wenn Meridienn von dieser Welt getilgt ist. Wenn ihre Silben, ihre Haare, ihreLippen, ihre Finger, ihre Hüften, ihre Brüste nur noch Vergangenheit sind. In den Dämonenschlund will ich sie zerren und schleudern, damit sie zerrissen und zerrieben wird von denen, die ihr gleichen, den flatternden und zahnbewehrten, auf Ewigkeit!«
Irgendwann spürte Minten, wie seine Fesseln gelöst wurden. Der Wahnsinnige bettete ihn auf seinen eigenen Mantel. »Jetzt sind wir in Sicherheit. Dies hier war früher das Dritte Baronat, jetzt heißt es anders, ich habe vergessen, wie. Es herrscht ein merkwürdiger Krieg zwischen den Menschen, ganz sinnlos. Zwischen Männern und Frauen, ja, das wäre immerhin gerecht! Aber zwischen dummen roten Grenzen, zwischen Fürsten, zwischen Kronen – ich denke, Gott hält sich den Bauch vor Lachen. Nein, nein, mühe dich nicht, mein Freund, es ist zwecklos. Wohin ich nun gehen muss, kannst du mir nicht folgen.« Benesand lächelte wehmütig und tat Mintens schwache Bewegungen mit großer Geste ab. »Mich führt mein Weg hinab ins Herz des Scheusals. Zum Hauptschloss Irathinduriens. Dort werde ich das Natternhaupt zertreten, nein – in den Dämonenschlund wollte ich es zerren, richtig, richtig, richtig. Ich danke dir. Du bist gerettet. Danke mir nicht. Es war mir eine Pflicht. Und nun Lebe wohl! Meinen Kaiser« – er blickte nach Süden – »werde ich wohl nicht mehr wiedersehen. Aber dann:Was ist schon ein Kaiser, wenn ein Weib nach Aufmerksamkeit hungert?« Eine Weile schien er noch über diese selbstgestellte Frage nachzusinnen, dann schwang er sich in den Sattel der erbeuteten Gemse und stob nach Süden davon.
Minten kam immer noch nur sehr langsam zu sich.Hatte der Wahnsinnige ihm tagelang Betäubungsmittel eingeflößt, oder hatte er ihm immer wieder eins über den Schädel gegeben, um ihn ruhig zu stellen? Mintens Kopf fühlte sich jedenfalls nach Letzterem an. Wenigstens hatte er diesmal keine Zähne verloren.
Mühsam kam Minten auf die Beine, sah sich um und tastete sich ab. Der Wahnsinnige hatte ihm alles weggenommen. Das Schwert, die Beute, das Stückekästchen, das die Dritte Baroness ihnen für die Reise mitgegeben hatte. Die zweite Gemse war weg. Minten befürchtete, dass der Wahnsinnige sie auf dem Rückweg als Proviant benutzt hatte. Wo befand er sich überhaupt? Südlich der Wolkenpeinigerberge, wie deutlich zu sehen war. Also im Norden des Dritten Baronats. Wenn er von hier aus nach Süden ging, in etwa der Spur des Wahnsinnigen folgend, musste er zum Äußeren Schloss und dann auch zum Hauptschloss kommen. Die Dritte Baroness war – wie er alsbald von ein paar Strolchen erfuhr, die sich entlang des Gebirges herumtrieben, ohne sich jemals in die Schluchten hineinzuwagen – inzwischen entmachtet worden, wurde aber wohl immer noch im Hauptschloss ihres ehemaligen Baronats, das jetzt zu Helingerdia gehörte, in Verwahrung gehalten. Wenn Minten zur Dritten Baroness gelangen konnte, würde sie sich gewiss mit großem Interesse seine Neuigkeiten über den Plünderfeldzug und die Unmöglichkeit, an den menschenfresserischen König Turer von Coldrin heranzukommen, anhören und ihm weiterhelfen. Oder ihm vielleicht sogar einen neuen Auftrag als Widerstandskämpfer geben.
So machte er sich zu Fuß auf Richtung Süden. Er verschwendete kaum noch Gedanken an Heserpade, Jinuaoder Hiserio. Heserpade war tot, und Jinua und Hiserio hatten sich einer Tausendschaft von Feinden gegenübergesehen. Minten glaubte nicht daran, dass coldrinische Plünderer oder mit coldrinischen Plünderern verbündete Orisoner einen gerechtenProzess erhielten. Sie wurden, falls sie die Kämpfe überlebten, sicherlich an Ort und Stelle aufgeknüpft. Minten war also wieder allein, aber das war er auch früher schon gewesen. Alles dazwischen – Jinua, der »Innere Zirkel«, die Dritte Baroness, die Wolkenstreichler und ihre rührend bunten Stäbe – kam ihm inzwischen wie ein Traum vor, wie eine weitere überspannte Phantasie, die der Wahnsinnige ihm während der
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