Die Daemonen 01 - Die Daemonen
Bahn signalisierte, betrat Taisser den Schankraum und veranstaltete sein routiniertes Spektakel. Es gab Variationen. Da sie nun von Anfang an über »Spielstücke« verfügten, musste Minten nicht immer zu denjenigen gehören, die sich von Taisser etwas schenken ließen, um überhaupt mitspielen zu können. Zweimal gab sich Minten als wohlhabender Spieler aus, der mit hohen Einsätzen einstieg. Umso schneller wuchsen auch die Einsätze der anderen, konnten somit die Kühe gemolken werden und die beiden dann das Weite suchen.
Minten gab den Gedanken auf, das Hauptschloss aufzusuchen und die ehemalige Dritte Baroness um Hilfe zu bitten. Sie war entmachtet – wie hätte sie ihm denn helfen sollen? Wahrscheinlich würde sie ihn eher als eine Art Widerstandskämpfer für sich einspannen wollen, aber Minten war nicht im Dritten Baronat geboren, sondern im Sechsten. Wenn überhaupt, dann hätte er in den Rebellenuntergrund gegen die seltsame Göttin gehen müssen, die im Sechsten nun zu herrschen schien. Aber auch darauf – sich mit einer möglicherweise leibhaftigen Göttin anzulegen – hatte er keine Lust.
Da sowohl er als auch Taisser eine Sehnsucht nach dem Meer in sich spürten, überquerten sie bald die unwichtig gewordene Grenze zwischen Helingerdia West und dem eigentlichen Helingerdia. Dort bewegten sie sich unter grauen und silbernen Regenschauern am FlussEigefel stromabwärts, bis sie schließlich Ferretwery und somitwieder eine Küste erreichten.
Dunkelgrün wogte das Meer an zerklüftete Klippen. Der Duft von Salz, Algen und Muscheln erschien den beiden jungen Männern wie eine Rückkehr in längst verloren geglaubte Kindheitstage. Die Hafenstadt selbst war vom Krieg gezeichnet. In ihren rostigen Straßen herrschten Armeewerber, Hausrataufkäufer und Uniformierte, mit und auch ohne Kristallrüstung. Die Fischweibstände waren merkwürdig verwaist, so als sättigte der Krieg die Menschen mit etwas anderem als Nahrung.
Von Ferretwery ging es dann nach Zarezted, an der dunkel gemaserten Küste entlang, auf einem Weg, der von den Lastkarren der Armeen tief zernarbt war. Fortwährend rüttelte frischer Wind an ihren Kleidern, sodass sie froh waren, sich in einer Stadt wieder aufwärmen zu können.
Während die beiden in einer vorher gründlich ausgespähten Zarezteder Hafentaverne namens Zum Schwamm gerade mit ihrer einstudierten Nummer zugange waren, betrat derselbe junge Offizier, den sie in der Wildnis gründlich ausgenommen hatten, ohne Freunde und diesmal in einen Kristallpanzer gewandet, die Schankstube, bestellte sich am Tresen ein schaumiges Bierchen, besah sich das muntere Treiben eine Weile, erkannte Taisser wieder, erkannte auch den Kerl mit dem merkwürdig vorstehenden Mund wieder, der aufs Neue sämtliche Gewinne auf sich vereinte, gab diskret einigen Uniformierten einen Wink und umstellte so mit zehn Mann den Schwamm dermaßen gründlich, dass kein einziger Wassertropfen mehr entrinnen konnte.
Als es für Minten an der Zeit war, sich mit den Gewinnen zu verdrücken, fand er sich außerhalb der Eingangstür von fünf grinsenden Soldaten abgefangen.
Die Vergangenheit – Kurkjavok, der Tröstende Trompeter , die Stadtsoldaten – hatte ihn eingeholt.
Die Göttin
»Du hast was befohlen?«
Eiber Matutins furchtsames Zittern ging nun in so etwas wie Schüttelfrost über. Die Göttin war schrecklich anzuschauen. Ein Ungeheuer. Ein Dämon. Ihr Umhang klaffte an der Brust weit auseinander, und darunter war nichts Weiblich-Weiches mehr zu sehen. Nur gelbe, knochige Dürre. Ihr Gesicht war immer noch das der Meridienn den Dauren, aber dieses Gesicht sah wie immer böse und unduldsam vom Thron auf ihn herab.
»Ich … ich … ich … befahl, Feuer an das Schloss zu legen, Eure Göttlichkeit. Die Coldriner hatten einfach alle Trümpfe in der Hand. Sie beschossen uns von den Zinnen herab mit scheinbar unendlichen Mengen an Pfeilen und Steinen, Ziegeln und brennenden Fässern, und wir hatten schon so viele Männer und Frauen … Frauen und Männer, Eure Heiligkeit … verloren, dass … dass … was hatte ich sagen wollen? … ach ja: dass es mir ratsam erschien, der Sache schnell ein Ende zu bereiten. Die Zugbrücke war eingestürzt, wir konnten da gar nicht mehr hineinreiten! Ich dachte auch, bei der angespannten Gesamtsituation, mit dem Kaiser von Helingerdia und dem Kaiser … König in der Hauptstadt noch immer unbezwungen … würde es Euch auch recht sein, einen so groβen Teil Eures Heeres wie
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