Die Daemonen 02 - Freiheit oder Finsternis
die durch Kinder und Viehkarren zusätzlich verlangsamten Flüchtlinge. Das Verbleiben in der Stadt und Verstärken ihrer Mauern war ihnen also als das einzig akzeptable Verhalten erschienen. Immerhin waren sie nun in einer Stadt, konnten hohe Mauern zur Verteidigung nutzen und hatten Vorräte, um einer Belagerung standzuhalten. Und waren nicht ihre Gegnerletzten Endes nur Tiere, die sich dumm an den Befestigungen die Schädel einrennen würden, bevor sie schließlich die Lust verloren und um die Stadt herum nach Norden gingen, um der Königin und ihrem mit Reichtümern beladenen Flüchtlingstross hinterherzusetzen?
Selbstverständlich hatte Marna Benesand vor den Geflügelten gewarnt und höchstpersönlich mit dafür Sorge getragen, dass die meisten Verteidiger sich gut mit Pfeilen, Bolzen, Bogen und Armbrustgeschützen ausrüsteten. Aber sie hatte nicht damit gerechnet, dass die Geflügelten Steine und Feuer werfen würden. In der Geschichte Orisons gab es keinen vergleichbaren Angriff aus der Luft. Marna versuchte sich hinterher immer wieder einzureden, dass sie nicht hatte wissen können, was geschehen würde. Aber das war ein mehr als schwacher Trost.
Nikoki Benesand wurde von einem dieser Steine getroffen und begraben. Ganze Gebäude zerschmetterten, als bestünden sie aus hartgebackenem Sand. Die Verteidiger schossen, was das Zeug hielt. Dann verendeten sie in stürzenden Trümmern und durch die Straßen rollenden Staubwogen.
Anschließend zerplatzten überall Feuerbälle. Chesea Benesand entging drei dieser Funken stiebenden Himmelshöllen nur knapp, dann kam sie bei dem Versuch ums Leben, ein paar Kälber aus einem brennenden Stall in Sicherheit zu zerren. Menschen, die vorher auf den Mauern gestanden hatten, um zu kämpfen, verließen ihre Posten, um ihre Stadt zu löschen. Die Töchter Benesands rannten nach hierhin und dorthin, halfen überall aus, kamen meistens zu spät.
Wie zum Hohn schleuderten die Dämonen nun auch noch Wasser. Ilura Benesand wurde von einem solchen aus großer Höhe hinabgeschleuderten Schwall voll erwischt und über eine Innenmauer in einen dunklen Hinterhof gesprengt. Marna bekam die Hälfte des Wassers ebenfalls mit ab, konnte sich aber an einem Geländer festhalten. Für Ilura kam jede Hilfe zu spät. Sie war mit dem Rückgrat auf die Einfassung eines Brunnens gekracht.
»Wir werden hier alle verrecken«, rief ihre Schwester Teanna Benesand, die ehemalige Reitlehrerin, ihr zu. Teannas Gesicht zeigte Spuren von Ruß, Blut, Schweiß, Wasser, Tränen und Staub gleichzeitig. »Und was mich am meisten dabei wurmt, ist, dass wir den Vorteil unserer Pferde nicht ausspielen können. Was sollen wir mit Pferden, wenn wir nur stillstehen, bis man uns totgeschmissen, verbrannt oder überrannt hat?«
»Wir können nicht schon wieder fliehen«, sagte Marna stimmlos. »Das können wir nicht machen.«
Hazmine Benesand, die Einzige von ihnen mit echter Heereserfahrung, schaltete sich in das Gespräch ein. »Wenn wir einen Ausbruch wagen, hinten an der Nordmauer, wo noch nicht so viel gekämpft wird, weil die Dämonen stur lieber von Süden gegen die Mauern anrennen, dann könnten wir immer noch der Königin beistehen als berittener Eingreiftrupp. Das wäre besser, als hier zugrunde zu gehen.«
»Aber die Königin weiß, dass wir hier bleiben wollten. Was wird sie von uns denken, wenn wir plötzlich im Norden auftauchen?«
»Sie wird nichts denken. Sie wird wissen, dass Orison-Stadt gefallen ist. Sieh doch über die Mauer nach draußen,Marna! Das sind Zehntausende, Hunderttausende von Dämonen! Sie werden die Stadt einnehmen. Ob heute schon oder erst morgen ist völlig nebensächlich.«
Marna starrte ins Leere. Nikoki unter dem Stein. Chesea in Flammen. Ilura, klatschnass mit verzerrtem Gesicht auf dem Brunnenrand. »Die Hauptstadt«, hauchte sie, während ihre Augen in Tränen zu schwimmen begannen. »Unsere schöne Hauptstadt.«
Tanuya Benesand, die ehemalige Nackttänzerin, brachte ein neues Argument in die Diskussion ein: »Im Sinne unseres Vaters und Vorbilds Faur Benesand: Hat nicht auch er immer wieder Ausfälle von den Maueren dieser Stadt herab unternommen?«
»Ja, genau«, pflichtete die kaum erwachsene Myta Benesand ihr bei. »Er hat sich von den Zinnen mitten unter seine Feinde hinabgestürzt, lachend! Und sie wichen voller Furcht vor ihm zurück!«
»Lass uns ausbrechen , Marna«, beschwor Hazmine Benesand ihre Anführerin. »Wir flüchten nicht einfach durch eine
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