Die Daemonen 03 - Am Ende der Zeiten
Mensch greift mich an und übergibt somit sein Leben in meine Hände «, zitierte Koaron, längst auf den voraus sich ballenden Sturm konzentriert, der bereits begann, ungebärdig am Segel zu zerren.
»Ach ja. Siehst du, ich könnte dich sogar vorher angreifen, Voy, dann hättest du das Recht, mich zu essen!«
»Ihr seid wahnsinnig!«, bäumte Voy sich auf. Ihr Gesicht war so verzerrt, dass sie ganz zahnlos und greisenhaft aussah, und der Geruch aus ihrem hungrigen Mund erinnerte Adain unangenehm an einige der klobigeren Dämonen kurz nach dem Zusammenbruch des Schlundbannes. »Ihr seid alle beide wahnsinnig mit eurem Bescheidenen geschwafel! Wir sind keine Bescheidenen ! Wir sind aus Aztrivavez! Und wie könnte ich Euch essen, wenn Euer Körper seit Tagen schon aus … Uthlen besteht?«
Da hatte sie natürlich ein Argument gefunden. Indem sie Bakenalas Fleisch aß, verzehrte sie bereits vorvereinnahmte Teile von Uthlens Substanz.
»Ich könnte es dir einfach befehlen, verdammt noch mal«, zischte Adain, durch Voys Halsstarrigkeit wütend geworden. »Ich bin die Kapitänin, und du bist nichts weiter als das Schiffsmädchen!«
»Aber dies ist nicht mehr das Schiff!«, begehrte Voy auf. »Dies ist nur noch die Uthlen , nichts weiter als die kleine, zusammengeklaute Uthlen , der ich nie geweiht wurde und die nicht einmal aus Aztrivavez stammt. Meine richtigen Schiffe sind beide kaputtgegangen, weil ich als Schiffsmädchen kein Glück gebracht habe.« Voy begann ganz furchtbar zu weinen.
Adain nickte. Seit sie, die Dämonin, mit von der Partie war, verlor das arme kleine Schiffsmädchen Voy tatsächlich alle seine Schiffe.
Adain nahm sie in den Arm und versuchte sie zu trösten, aber so richtig wollte das nicht gelingen. Voy weinte, bis ihr vor Entkräftung abermals die Sinne schwanden, und Adain starrte durch den Salzgeruch ihrer Untröstlichkeit dem düsteren Horizont entgegen.
Das Gewitter schmiss mit Regen um sich, als hätte der Himmel den Verstand verloren. Am helllichten Tag wurde es rußfinster, ringsum war nichts außer Sand und Dünen, das Beiboot, die Uthlen , kenterte beinahe, weil der Regen so heftig von einer Seite gegen das Segel klatschte, dann fraß es sich fest im matschig gewordenen Boden. Das Wasser konnte gar nicht so schnell abfließen, wie es auf den Grund aufschlug. Koaron schrie etwas, aber niemand verstand ihn. Er sah aus, als würde er unter einem Wasserfall stehen. Von seinem Kinn und aus seinen Haaren setzten sich triefende Linien fort wie Barten oder Insektenfühler.
Adain lachte, als die ersten Blitze aufloderten und es kurz danach beißend krachte. Sie befanden sich mittendrin im Zentrum der Entladungen. Wie ein durstiges Vieh soff Adain aus Pfützen und sich bildenden Strömungen und auch aus ihren Handflächen. Sie schützte aber auch Voy, so gut es ihr möglich war, und flößte der Verhungernden Wasser ein. »Vom Himmel persönlich«, sagte sie dabei, unsicher, ob das Schiffsmädchen sie überhaupt hören konnte.
Koaron beschloss schließlich, das Beiboot zu kippen, damit der Mast nicht vom Blitz zerhauen werden konnte. In dieser Gegend gab es einfach kein anderes lohnendes Ziel zu treffen, und sie hatten keinen Ersatzmast an Bord. Adain half mit, das Beiboot kontrolliert zu kentern, damit der Mast nicht brach, und Voy unter dem Schiffsrumpf in Sicherheit zu bringen. Sicherheit am Boden war jedoch trügerisch, denn Wasser floss in alle Richtungen und umspülte die Liegenden mit sehnendem Zerren.
Glücklicherweise währte der Spuk nicht lange. Nach einer Viertelstunde hatte sich der Himmel ausgetobt. Oder zumindest direkt über ihnen war dem Unwetter langweilig geworden, es hatte alles gepfählt und aufgewühlt und überschwemmt, was dieser Aufmerksamkeiten wert gewesen war, und nun zog es weiter nach Süden, vielleicht zur Ruine der Tausend Schreie, um sich dort zwischen Türmen zu verheddern.
»Wir sitzen fest«, sagte Koaron, vor Nässe bibbernd. »Wir müssen warten, bis der Sand getrocknet ist. Durch diesen Matsch kann man nicht rollen.«
»Warum eigentlich nicht?«, fragte Adain gut gelaunt. »Matsch ist doch viel rutschiger als Sand?«
»Das sind Sandräder«, erklärte Koaron so geduldig wie ihm möglich seiner vollkommen ahnungslosen Kapitänin. »Die sind speziell für Sand angefertigt.«
»Und warum haben Boote dann keine Matsch räder zum Austauschen?«
»Weil im Matsch die Steuerfrauen nicht sehen können, ob der Boden sicher ist oder nicht. Es ist
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