Die Daemonen 03 - Am Ende der Zeiten
einigermaßen erfolgversprechende Düne in die Nähe kam. Dann tat er es. Weit musste er sich abstoßen vom Leib des Riesen, um die Düne überhaupt erreichen zu können. Völlig frei fiel er unter dem Himmel. In der Luft drehte er sich wieder ein wenig, stabilisierte mit rudernden Armen, seine gesamte Erfahrung mit Sprüngen kam ihm abermals zugute. Er landete tief in einem Dünenhang, sackte so weit ein, dass er sich sogar Sand in den Mund schaufelte. Weißer Staub wirbelte um ihn herum und brachte ihn zum Husten. Dabei spuckte er aus. Die drei Beine des Riesen tosten vorüber. Koaron wühlte sich frei und warf sich so gut wie möglich in Deckung. Als der Riese endgültig vorüber war, gönnte sich Koaron keine Verschnaufpause. Der Kapitän war eben noch zu sehen gewesen, jetzt schon nicht mehr. Aber Koaron hatte ein ganz anderes Ziel. Er merkte sich die Richtung des Kapitäns und spurtete los, dorthin, wo er die fremde Frau erblickt hatte. Die möglicherweise schöne Frau. Sie saß in seinem Kopf fest wie ein Draggenanker. Wenn er schon nicht in der Lage war, Dämonen zu sammeln, dann vielleicht etwas anderes, noch Besseres.
Er erreichte die Düne, hinter der die Fremde verschwunden war. Den Gäus hatte Koaron schon ganz vergessen. Und da war sie. Bereits weit entfernt, bewegte sie sich parallel mit den ihre Verwundeten mitschleppenden Sammlern und schien diese aus sicherem Abstand zu beobachten. War sie auf Beute aus? War sie eine neuartige Spezialistin der Bescheidenen , darauf angesetzt, den Aztrivavezern Schaden zuzufügen? War es überhaupt ratsam, sich ihr offen zu nähern? Was, wenn sie ihn angriff, überwältigte und als Geisel gegen seine eigenen Leute benutzte? Über diesen Gedanken musste Koaron aber beinahe lachen. Würde man ihn gegen Kapitän Renech als Geisel nehmen wollen, würde dieser wohl nur mit den Schultern zucken, sich abwenden und weitergehen.
»Schön, wenn man weiß, wo man willkommen ist«, knurrte Koaron zu sich selbst und lief offen über deckungsloses Gelände auf die Frau zu. Sie bemerkte ihn und blieb stehen. Die enganliegende, ölig glänzende Kleidung betonte ihren Hintern und ihre Hüften ausgesprochen vorteilhaft. Sie führte zwei Waffen mit sich, die beide dunkel und schwer aussahen. Diese Waffen hielt sie in Händen, beide Hände hielt sie leicht von ihrem Körper weg.
Koaron kam näher. Sie wich langsam vor ihm zurück wie ein scheues Tier. Sie war tatsächlich ausgesprochen schön. Koaron hatte noch nie ein Mädchen mit dermaßen langen Wimpern gesehen. Und mit dermaßen langen, eigentlich unzweckmäßigen Haaren auch nicht. Ihre Augen hatten die Farbe eines wolkenlosen Himmels vor einem Gewitter. Die eigenartige Kleidung zeichnete sämtliche Konturen ihres Körpers nach, als wäre sie nur eine aufgetragene Salbe. Irritierend war einzig, dass sich bei ihr absolut kein Busen abzeichnete.
»Ich bin Koaron aus Aztrivavez«, sagte er schwer atmend. Er blieb stehen, um sich mit den Händen auf die Knie zu stützen und zu verschnaufen. »Du brauchst keine Angst vor mir zu haben. Besitzt du einen Namen?«
»Adain«, sagte die Fremde. Ihre Stimme war wohlklingend, für eine Frau recht tief, aber durchaus anziehend.
»Adain. Du verstehst meine Sprache?«
»Selbstverständlich. Oder gibt es jetzt mehrere Sprachen in Orison?«
»Orison? So heißt das Land doch schon seit der großen Weiß-Sagung nicht mehr.«
»Für mich wird es immer Orison heißen, Knabe.«
»Knabe?« Koaron richtete sich auf. Er war recht groß gewachsen, schlaksig zwar, aber größer als der Durchschnitt. »Ich bin schon lange kein Knabe mehr. Ich bin ein Sammler. Und du? Bist du eine Frau oder ein Mann?« Er ärgerte sich darüber, dass sie, die kaum älter aussah als er, ihn einen Knaben nannte. Er wollte sie ebenso frech angehen.
»Ich bin«, sagte sie mit einem verwirrend flirrenden Augenaufschlag, »was du dir wünschst, dass ich bin.«
Diese Antwort brachte Koaron noch mehr aus der Balance als die Anrede »Knabe«. Das ganze Gespräch kam ihm eigenartig vor. Es bestand nur aus ganz kurzen Sätzen voller unbestimmbarer Tragweite. »Woher kommst du, Adain? Du bist keine von den Bescheidenen , oder?«
Adain schüttelte langsam den Kopf. »Ich bin unbescheiden. Ich komme aus dem Schlund«, sagte sie langsam.
»Aus dem Schlund? Dem Dämonen schlund? Dort leben Menschen?«
»Keine Menschen. Nur ich.« Plötzlich huschte ein Lächeln über ihre Züge. »Hörst du? Sie fangen jetzt an, ihre vorsichtige
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