Die Dämonen ruhen nicht
abstraktes Gemälde, das Tornados darstellt.
Sie erwähnt das gegenüber Berger und fügt hinzu: »Das hier ist doch eindeutig, oder? Ich habe mit Hilfe des Computers Klangproben von Chandonnes Stimme besorgt. In diesem Fall stammen sie aus dem auf Video aufgenommenen Verhör, das du nach seiner Verhaftung in Richmond mit ihm geführt hast. Der Computer hat darin nach verbalen Übereinstimmungen mit dem bei uns eingegangenen Anruf gesucht.
Natürlich hat der Dreckskerl uns das nicht leicht gemacht, wenn man sich die Wörter in dem Anruf ansieht. Nirgendwo in der Vernehmung mit dir«, fährt Lucy fort, »kommt zum Beispiel der Name Baton Rouge vor. Außerdem erwähnt er mich - Lucy Farinelli - nie namentlich. Also bleiben nur noch die Wörter wenn, zurückkommt und Sagen Sie ihr übrig. Viel weniger Silben, als mir zu Vergleichszwecken lieb wären. Für eine positive Identifizierung brauchen wir mindestens zwanzig übereinstimmende Sprachtöne. Doch wir können hier wenigstens eine eindeutige Ähnlichkeit feststellen. Die dunkelsten Stellen in den bekannten und den fraglichen Stimmabdrücken entsprechen der Intensität der Frequenzen.« Sie deutet auf die schwarzen Bereiche auf dem Bildschirm.
»Für mich sieht das identisch aus«, stellt Berger fest.
»Eindeutig. Was die fünf Wörter wenn, zurückkommt und Sagen Sie ihr betrifft, ganz bestimmt.«
»Ich bin auch absolut sicher«, fügt Manham hinzu. »Aber vor Gericht würden wir Probleme kriegen, und zwar aus den Gründen, die Lucy gerade erläutert hat. Die übereinstimmenden Töne genügen nicht, um die Geschworenen zu überzeugen.«
»Vergessen Sie jetzt mal das Gericht«, erwidert die angesehenste Staatsanwältin der Stadt.
Lucy betätigt weitere Tasten und ruft eine zweite Datei auf.
»Ich berührte ihre Brüste und machte ihren BH auf«, sagt Jean-Baptistes Stimme in weichem, höflichem Tonfall.
»Und hier haben wir drei weitere Fragmente eines Verhörs, die Wörter zum Vergleichen enthalten«, verkündet Lucy.
»Ich war zuerst ein wenig verwirrt, als ich sie berühren wollte und das Oberteil nicht hochziehen konnte.«
»Aber ich weiß, dass Sie hübsch sind«, ist Jean-Baptiste als Nächstes zu hören.
»Es geht weiter«, meint Lucy.
»Es war ein Rückflugticket, Touristenklasse, nach New York«, sagt Jean-Baptistes Stimme.
»Unsere vier fehlenden Wörter, Jaime«, erklärt Lucy. »Ziemlich nah dran. Wie ich schon sagte, stammen diese Sätze aus deinem auf Video aufgenommenen Verhör vor der Anklageerhebung, als du als Sonderstaatsanwältin hinzugezogen wurdest.«
Es fällt Lucy schwer, sich Teile dieser Vernehmung anzuhören. In gewisser Weise ist sie Berger böse, weil sie Scarpetta gezwungen hat, sich das Band anzuschauen. Es ließ sich jedoch nicht vermeiden, dass ihre Tante sich stundenlang einer Aussage aussetzen musste, die man nur als manipulative Gewaltpornografie bezeichnen kann, und das, nachdem sie beinahe ermordet worden wäre. Jean-Baptiste log in dem Verhör aus reinem Vergnügen. Zweifellos erregte ihn der Gedanke, dass Scarpetta, Opfer und Hauptbelastungszeugin, sein Publikum war. Stundenlang sah sie zu und lauschte, wie er sich in ausführlichen Lügengeschichten erging, nicht nur, was seine Verbrechen in Richmond betraf, sondern auch seine angebliche Liebesbeziehung mit Susan Pless im Jahr 1997. Die verstümmelte Leiche der Fernsehmeteorologin des Senders CNBC war in ihrer Wohnung in New Yorks Upper East Side aufgefunden worden.
Die achtundzwanzigjährige attraktive Afroamerikanerin war genauso grausam zusammengeschlagen und zerbissen worden wie Chandonnes übrige Opfer. Allerdings wurde nur bei ihr Samenflüssigkeit sichergestellt. Bei Jean-Baptistes jüngsten Morden, denen in Richmond, waren die Opfer lediglich von der Taille aufwärts unbekleidet, und man fand anstelle von Samenflüssigkeit bloß Speichel. Dieser Umstand führte zu dem zum Teil auf DNS-Analysen basierenden Schluss, dass das Netz der Chandonnes ein enges Geflecht ist, ein organisierter Verbrecherring, der es seinen Mitgliedern ermöglicht, ihre gewalttätigen Perversionen auszuleben und Sadismus zum Sport zu machen. Jean-Baptiste und Jay Talley betätigen sich gemeinsam als Amateursportler. Den Sexualmord an Susan Pless führten die beiden Brüder gewissermaßen wie einen Staffellauf durch: Der weltgewandte Jay machte sich an das Opfer heran, vergewaltigte es und reichte es anschließend an seinen abstoßenden impotenten Zwillingsbruder weiter.
Lucy,
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