Die Dämonen ruhen nicht
Kräfte«. Keine Krankheiten oder seltsamen Beschwerden mehr. Nur noch eine innere Stimme und ein prachtvolles Leuchten.
Wer ist da?
Jean-Baptistes Hand unter der Decke bewegt sich schneller. Ein kräftigerer Gestank steigt auf, als ihm der Schweiß ausbricht, und er stößt einen wütenden und verzweifelten Schrei aus.
77
Lucy zieht die zusammengefalteten Papiere aus der Tasche, während Berger sich neben ihr auf dem Sofa niederlässt.
»Polizei- und Autopsiebericht auf Französisch«, erklärt Lucy.
Berger nimmt ihr die Computerausdrucke aus der Hand und studiert sie gründlich, aber rasch. »Wohlhabender amerikanischer Anwalt, häufig geschäftlich in Stettin, wohnt meistens im Radisson. Hat sich offenbar mit einer kleinkalibrigen Pistole selbst in die rechte Schläfe geschossen. Bekleidet. Hat sich eingekotet. Blutalkoholgehalt 0,26.« Sie sieht Lucy an.
»Für einen Säufer wie ihn«, meint Lucy, »war das vermutlich nichts.«
Berger liest weiter. Die ausführlichen Berichte erwähnen die mit Kot beschmierte Kaschmirhose, Unterhose und Handtücher, die leere Champagnerflasche und die halbleere Flasche mit Wodka.
»Offenbar hat er sich übergeben. Schauen wir mal«, fährt Berger fort. »Zweitausendvierhundert Dollar waren in einer Socke in der untersten Kommodenschublade versteckt. Eine goldene Uhr, ein goldener Ring und eine Goldkette. Kein Hinweis auf Raub. Niemand hat einen Schuss gehört, oder zumindest wurde keiner gemeldet.
Reste einer Mahlzeit. Steak, Folienkartoffel, Shrimpcocktail, Schokoladenkuchen, Wodka. Ein Mitarbeiter - ich kann den Namen nicht aussprechen - aus der Küche nimmt an, ist sich aber nicht sicher, dass Rocco am 26. gegen zwanzig Uhr den Zimmerservice bestellt hat. Die Herkunft der Champagnerflasche ist unbekannt; es handelt sich jedoch um eine Marke, die das Hotel führt. Keine Fingerabdrücke auf der Flasche außer denen von Rocco Caggiano ... Das Zimmer wurde auf Fingerabdrücke untersucht, eine Geschosshülse sichergestellt,die ebenso wie die Pistole auf Abdrücke untersucht wurde. Wieder nur die von Rocco. Seine Hände wiesen Schmauchspuren auf ... bla, bla, bla. Sie sind sehr gründlich vorgegangen.« Berger blickt Lucy an. »Wir haben den Polizeibericht noch nicht einmal zur Hälfte durch.«
»Was ist mit Zeugen?«, fragt Lucy. »Wird jemand verdächtigt ...?«
»Nein.« Die Staatsanwältin schiebt eine Seite hinter die andere. »Jetzt kommt die Autopsie ... Herz- und Lebererkrankung. Warum erstaunt mich das nicht? Atherosklerose und so weiter und so fort. Schusswunde, aufgesetzter Schuss mit verkohlten, unregelmäßigen Rändern, keine Streuung. Sofortiges Eintreten des Todes ... Deine Tante würde ausflippen. Du weißt ja, wie sie sich aufregt, wenn es heißt, der Tod sei sofort eingetreten. Niemand stirbt sofort, richtig, Lucy?« Berger späht über den Rand ihrer Lesebrille und blickt ihr in die Augen. »Was glaubst du? War Rocco nach einigen Sekunden, einigen Minuten oder einigen Stunden tot?«
Lucy antwortet nicht.
»Die Leiche wurde am 28. April gefunden, und zwar um Viertel nach neun ...« Berger mustert Lucy forschend. »Da war er knapp vierzig Stunden tot. Nicht einmal zwei Tage.« Sie runzelt die Stirn. »Die Leiche wurde entdeckt von ... ich kann den Namen nicht aussprechen ... jemandem von der Haustechnik. Verwesung stark fortgeschritten.« Sie hält inne. »Von Maden übersät.« Sie blickt auf. »Das ist aber ungewöhnlich, wenn der Betreffende erst vor so kurzer Zeit gestorben ist, und noch dazu in einem Zimmer, das meiner Ansicht nach relativ kühl gewesen sein muss.«
»Kühl? Steht denn die Zimmertemperatur drin?« Lucy reckt den Hals, um einen Blick auf den Ausdruck zu werfen, den sie nicht übersetzen kann.
»Es heißt, das Fenster stand einen Spalt weit offen, und die Temperatur im Zimmer betrug neunzehn Grad, obwohl der
Thermostat auf fünfundzwanzig Grad eingestellt war. Doch das Wetter war kühl, tagsüber nur etwa fünfzehn Grad, nachts unter zehn. Regen ...« Sie runzelt die Stirn. »Mein Französisch ist ziemlich eingerostet ... Hmmm. Nichts weist auf Fremdeinwirkung hin. Im Hotel ist es an jenem Abend zu keinen außergewöhnlichen Zwischenfällen gekommen. Rocco Caggiano hat an dem Abend, um den es angeblich geht, den Zimmerservice bestellt, sofern der Hotelangestellte sich nicht im Datum irrt ... Hmmm.« Sie liest weiter. »Eine Prostituierte hat in der Hotelhalle eine Szene gemacht. Interessant. Die würde ich gern
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