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Die Dämonen ruhen nicht

Die Dämonen ruhen nicht

Titel: Die Dämonen ruhen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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wohin seine asymmetrischen Augen wirklich schauen und wie viel sie sehen. Das Haar, das seine Stirn und seinen Hals bedeckt und ihm in Büscheln aus den Ohren wächst, erfüllt Officer Duck mit Grauen.
    »Zurücktreten. Verdammt, Sie stinken ja schlimmer als einHund, der sich in Aas gewälzt hat. Und diesen Scheißdaumennagel schneiden wir Ihnen auch noch ab.«
    »Das Gesetz gibt mir das Recht, mir Nägel und Haare wachsen zu lassen«, erwidert Jean-Baptiste mit einem breiten Grinsen, das den Beamten an ein gewaltiges Fischmaul erinnert.
    Er stellt sich vor, wie sich die weit auseinander stehenden, spitzen kleinen Zähne in einen Frauenkörper schlagen und wie ein wild gewordener Hai in Brüste beißen, während behaarte Fäuste ein wunderschönes Gesicht zu Brei schlagen. Chandonne suchte sich nur sehr attraktive, erfolgreiche Frauen mit guter Figur als Opfer aus. Sein Fetisch sind große Brüste und Brustwarzen, was nach Aussage des Psychiaters, der im Zellenblock aus und ein geht, auf eine Fixierung hinweist, die in Jean-Baptiste den Zwang auslöst, dieses Körperteil zu vernichten.
    »Bei manchen Tätern sind es Schuhe und Füße«, hat der Psychologe Officer Duck vor etwa einem Monat bei einer Tasse Kaffee erklärt.
    »Ja, das mit den Schuhen habe ich auch schon gehört. Diese Spinner brechen in Häuser ein, um Damenschuhe zu stehlen.«
    »Das passiert öfter, als Sie glauben. Der Schuh an sich wirkt auf den Täter sexuell erregend. Oft bekommt er dann das Bedürfnis, die Frau zu töten, die den Fetisch trägt oder deren Körperteil der Fetisch ist. Viele Serienmörder haben als Fetisch-Einbrecher angefangen und sind in Häuser eingedrungen, um dort Schuhe, Unterwäsche oder andere Gegenstände mitgehen zu lassen, die für sie sexuell besetzt sind.«
    »Also hat der Wolfmann wahrscheinlich als haariger kleiner Junge BHs geklaut.«
    »Könnte gut sein. Jedenfalls bereitet es ihm keine Probleme, in Häuser einzudringen, und das würde zu einem Serieneinbrecher passen, der schließlich zum Serienmörder wird. Das Problem bei Fetisch-Einbrüchen ist, dass das Opfer häufignichts von dem Einbruch und dem Diebstahl ahnt. Wie viele Frauen, die einen oder mehrere Schuhe oder ein Wäschestück nicht finden, würden gleich von einem Einbruch ausgehen?«
    Officer Duck zuckte die Achseln. »Tja, meine Frau ist ständig am Suchen. Sie sollten mal ihren Schrank sehen. Und eine schlimmere Schuhfetischistin als Sally gibt es nicht... Aber ein Typ kann schlecht ins Haus einer Frau einbrechen und sich mit einer Brust davonmachen. Auch wenn es Leute gibt, die darauf stehen, ihre Opfer zu verstümmeln.«
    »Es kann auch die Haarfarbe, die Augenfarbe oder sonst irgendwas sein. Für einen Täter wird das zum Fetisch, was ihn sexuell erregt, und in manchen Fällen löst das in ihm das sadistische Bedürfnis aus, diesen Fetisch zu zerstören. Bei Jean- Baptiste Chandonne ist es die Frau, deren Brüste eine bestimmte Form und Größe haben.«
    Officer Duck hat in gewisser Weise Verständnis dafür. Auch er steht auf Brüste. Und auch er findet Phantasien, selbst gewalttätige, erregend, obwohl ihm das unangenehm und peinlich ist.

74
    Das Klappern der Stiefel des Wachpersonals auf dem Laufsteg wird leiser.
    Jean-Baptiste setzt sich, einen Stapel sauberes weißes Papier auf dem Schoß, wieder auf seine Pritsche. Er lässt den Stift auftippen und kreiert einen weiteren poetischen Satz; er entfaltet ihn aus seinem einzigartigen Verstand wie eine leuchtend rote Fahne, die im Gleichtakt mit seinem Stift flattert. Seine Seele fließt über von Poesie. Wörter zu Bildern und Weisheiten zu formen, die sich in vollendetem Rhythmus bewegen, ist mühelos, so mühelos.
    Wiegt euch gemeinsam in vollendetem Takt. Immer wieder fährt er seine anmutige Handschrift nach und drückt fest mit dem Kugelschreiber auf.
    Sich gemeinsam wiegend in vollendetem Takt.
    Das ist besser, denkt er und klopft wieder, im Gleichtakt mit seinem inneren Rhythmus, aufs Papier.
    Tap-tap, tap-tap, tap-tap.
    Das kann er langsamer oder schneller tun, abhängig von der Musik des Blutes, an die er sich nach jedem Mord erinnert.
    »Wiegen«, beginnt er wieder. »Mais non.«
    Alles wiegt sich gemeinsam in vollendetem Takt.
    »Mais non.«
    Tap, tap, macht der Stift.
    »Lieber Rocco«, beschließt Jean-Baptiste zu schreiben. »Du hast es nicht gewagt, Polen gegenüber der falschen Person zu erwähnen, dessen bin ich sicher. Dazu bist du viel zu feige.«
    Tap, tap, tap.
    »Aber wer?

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