Die Dämonen ruhen nicht
ein Stachel in der Socke.
»Bestimmt liegt es daran, dass man ständig aufs Klo muss, wenn man Bier trinkt«, führt Caggiano bei fast jedem geselligen Beisammensein das Thema ein. »Durch das Pinkeln schafft man Platz für mehr, richtig?«
»Wenn Sie vier Liter Wasser trinken, laufen Sie auch dauernd aufs Klo«, hat ein holländischer Zollbeamter vor ein paar Monaten widersprochen, als Rocco und ein paar andere Freunde des Chandonne-Kartells es sich in einem Münchner Biergarten gut gehen ließen.
»Ich hasse Wasser«, erwiderte Rocco.
»Woher wissen Sie dann, dass Sie Wasser genauso schnell rauspinkeln würden wie Bier?«, erkundigte sich der deutsche Kapitän eines Containerschiffes.
»Er weiß es nicht.«
»Richtig. Sie sollten es mal testen, Rocco.«
»Wir trinken Bier, Sie trinken Wasser, und dann schauen wir mal, wer am meisten und am schnellsten pinkelt.«
Lachend stießen die Männer mit ihren Gläsern an und prosteten sich betrunken zu, sodass das Bier über den Holztisch spritzte. Es war ein schöner Tag gewesen. Vor ihrem Umtrunk im Biergarten waren sie über die Liegewiese für Nacktbader geschlendert, wo ein unbekleideter Mann auf einem Fahrrad an ihnen vorbeiflitzte. Der Holländer rief auf Holländisch, er sollte sich mit der Gangschaltung vorsehen, während der Schiffskapitän auf Deutsch brüllte, sein Ständer sei aber ziemlich klein. Rocco kreischte auf Englisch, der Mann müsse nicht befürchten, den Schwanz in die Speichen zu kriegen, denn der hänge ja nicht einmal über den Sitz. Der Radfahrer fuhr weiter, ohne auf sie zu achten.
Die Frauen sonnten sich in diesem Park nackt, und es schien sie überhaupt nicht zu kümmern, dass Männer sie anstarrten. Rocco und seine Kumpane wurden immer kühner, umringten eine Frau, die ausgestreckt auf ihrem Handtuch lag, und machten Bemerkungen über die anatomisch interessanten Teile ihres Körpers. Die Frau ignorierte sie einfach, drehte sich auf den Bauch und las weiter in ihrer Zeitschrift, während die Männer ihren Po begutachteten, als handle es sich um zwei Hügel, die sie besteigen müssten. Roccos hitzige Erregung ließ ihn bösartig werden, und er überschüttete die Frau mit widerwärtigen, anstößigen Beschimpfungen, bis seine Begleiter ihn wegziehen mussten. Besonders aggressiv reagierte Rocco auf die Homosexuellen, die sonst niemanden im Park störten. Seiner Ansicht nach sollten alle Homosexuellen kastriert und hingerichtet werden. Er wäre gern derjenige, der das erledigt, um zu sehen, wie sie sich vor lauter Angst in die Hose pinkeln und scheißen.
»Es ist eine medizinisch bewiesene Tatsache, dass man sich in die Hose pinkelt und scheißt, wenn man kaltgemacht werden soll«, verkündete er später im Biergarten.
»Was für eine medizinische Tatsache? Ich dachte immer, Sie wären Anwalt und kein Arzt.«»Woher wollen Sie das wissen, Rocco? Woher denn? Ziehen Sie ihnen die Hose aus und schauen nach? Könnte ja sein, dass Sie ihnen die Hose runterziehen, um nach Pisse und Scheiße zu suchen.« Lautes Gelächter. »Dann könnten Sie das mit Sicherheit behaupten. Wenn das wirklich stimmt, muss ich Ihnen eine wichtige Frage stellen: Laufen Sie rum und ziehen Leichen die Hosen aus? Ich finde, wir alle haben ein Recht, das zu erfahren. Denn ich möchte wissen, ob Sie mir, wenn ich mal tot bin, auch die Hose ausziehen.«
»Wenn Sie tot sind«, erwiderte Rocco, »kriegen Sie doch gar nichts mehr mit.«
Es ist seltsam, dass Rocco sich an dieses betrunkene Gespräch und an das erinnert, was sein Arzt ihm schon seit Jahren predigt. Rocco leidet wegen Stress, Rauchen und zu viel Alkohol an Gastritis und Reizdarm. Alle Missstände im Leben werden dem Stress, dem Rauchen und dem Trinken angelastet, gibt Rocco dann stets zurück, wenn er das Untersuchungszimmer verlässt. Er reicht die Arztrechnung bei der Krankenversicherung ein und führt weiter sein selbstzerstörerisches Leben.
Sein Darm und seine Blase entleeren sich, als er in einem Sessel in seinem Hotelzimmer sitzt und einen entsicherten Colt .380 an seinem Kopf spürt.
28
Jacks Bootshafen ist eine Ansammlung von Schleppkähnen, Langbooten, Booten zum Barschfang, Prahmen und Motorflitzern, alle vertäut an wackeligen Stegen, wo als Stoßdämpfer alte Autoreifen befestigt sind.
Am schlammigen Ufer liegen einige Pirogues - Cajun-Kanus - und ein verrottetes Motorboot, das keine Wasserskier mehr ziehen wird. Der Parkplatz ist nicht geteert, und an derTankstelle gibt es zwei
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