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Die Dämonen ruhen nicht

Die Dämonen ruhen nicht

Titel: Die Dämonen ruhen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Er wartet darauf, dass sie das Fenster herunterkurbelt.
    »Das macht vierundvierzig Dollar und vierzig Cent«, verkündet er. »Ich stelle die Kanister in dein Boot und behalte sie im Auge. Mir ist aufgefallen, dass du deinen Freund dabeihast.« Damit meint er das Gewehr. »Willst du das Ding im Boot lassen? Das würde ich nicht. Und pass auf, wenn du damit auf Alligatoren schießt. Sie werden davon nur wütend.«
    Bev kann es nicht fassen, dass sie beinahe weggefahren wäre, ohne das Gewehr mitzunehmen. Sie kann heute Abend nicht klar denken, und ihr tut das Knie weh.
    »Kannst du, bevor du gehst, noch Eis in den Fischtank füllen?«, sagt sie und steigt in das Boot hinunter.
    »Wie viel?« Er nimmt das Gewehr, klettert wieder auf den Steg und legt die Waffe vorsichtig auf den Rücksitz des Cherokee.
    »Fünfzig Kilo genügen.«
    »Hast wohl einen Großeinkauf vor, wenn du so viel Eis brauchst.« Er steckt den Lappen in seine Gesäßtasche.
    »Hier draußen wird alles so schnell schlecht.«
    »Das macht noch mal zwanzig. Ich gebe dir drei Dollar Rabatt.«
    Sie reicht ihm zwei Zehner, ohne sich für den Preisnachlass zu bedanken.
    »Um neun bin ich weg.« Er blickt an ihr vorbei ins Innere des zerbeulten Cherokee. »Wenn du bis dahin nicht zurück bist...«
    »Bin ich nicht«, erwidert Bev und legt den Rückwärtsgang ein.
    Das ist sie nie, und sie braucht seinen Hinweis nicht.
    Er starrt an ihr vorbei auf die Beifahrertür, wo das Fenster geschlossen ist; Kurbel und Türgriff fehlen.
    »Weißt du, Mädchen, wenn du mir mal die Schlüssel dalässt, könnte ich das für dich reparieren.«
    Bev wirft einen Blick auf die Tür. »Ist nicht so wichtig«, erwidert sie. »Außer mir fährt niemand in diesem Ding.«

29
    Oben im Nordflügel des Hauses gibt es ein Gästezimmer mit Meerblick. Vor dem Panoramafenster steht Scarpettas großer Schreibtisch, keine Antiquität oder ein Designerstück, sondern nur ein billiger Computertisch mit passendem Beistelltisch.
    Die Bücherregale an den Wänden sind so eng gestellt, dass einige Lichtschalter und Steckdosen dahinter verschwunden und somit unerreichbar sind; also muss Scarpetta sich mit Verlängerungskabeln behelfen. Die Möblierung besteht aus hellem Ahornfurnier, ein trauriger Gegensatz zu den wunderschönen Antiquitäten und Kunstgegenständen, den Orientteppichen, den kostbaren Gläsern und dem Porzellan, das sie während des Großteils ihres Berufslebens gesammelt hat. Scarpettas früheres Leben ist in einem Lagerhaus in Connecticut untergebracht, dessen Sicherheitsvorkehrungen den Ansprüchen von Museumsstücken genügen. Sie hat ihre Besitztümer nicht mehr angesehen, seit Lucy sich vor über zwei Jahren um die Habe ihrer Tante gekümmert hat. Den Ort hat sie sich deshalb ausgesucht, weil er nahe bei New York liegt, wo sich Lucys Hauptquartier und ihre Wohnung befinden. Scarpetta vermisst die Möbel aus ihrer Vergangenheit nicht. Es ist zwecklos, sich den Kopf darüber zu zerbrechen. Der bloße Gedanke daran lässt sie ermüden, aus Gründen, die sie selbst nicht ganz versteht.
    Das Arbeitszimmer in ihrem Haus in Delray hat eine angenehme Größe, auch wenn es nicht annähernd so geräumig und ordentlich ist, wie sie es in Richmond gewöhnt war. Dort hatte sie Schränke voller Hängeordner, jede Menge Platz und einen massiven, nach Maß angefertigten Schreibtisch aus brasilianischem Kirschholz. Ihr Haus war im modernen italienischen Landhausstil gebaut und Stein auf Stein zusammengesetzt. Die Wände waren antik verputzt, die frei liegenden Balken südafrikanische Eisenbahnschwellen aus schwarzem Jarrahholz, die aus dem neunzehnten Jahrhundert stammten. Das Haus, das Scarpetta sich in Richmond gebaut hatte, war an sich schon wunderschön. Es wurde ein Traum, als sie es in ihrem Versuch, die Vergangenheit auszulöschen, umgestaltet hatte - eine Vergangenheit, in der die Geister von Benton und Jean-Baptiste Chandonne umgehen. Doch es hat nichts genutzt: Die Geister folgten ihr weiter von Zimmer zu Zimmer.
    Ihre Weigerung, sich mit dem unerträglichen Verlust abzufinden, löste gemeinsam mit dem beinahe geglückten Mordversuch albtraumhafte Erinnerungsfetzen aus, die sie, unabhängig von der Temperatur im Haus, bis ins Mark erschaudern ließen. Jedes Knarzen des alten Holzes und jedes Geräusch des Windes sorgten dafür, dass sie mit klopfendem Herzen nach der Pistole griff, die sie ständig bei sich trug. Eines Tages dann hat Scarpetta ihr Traumhaus verlassen und ist nie

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