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Die Dämonen ruhen nicht

Die Dämonen ruhen nicht

Titel: Die Dämonen ruhen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Vorsichtsmaßnahme den Colt sorgfältig am Bettlaken ab. Sein Gesichtsausdruck ist hart, in seinen Augen steht ein weit entferntes, entschlossenes Glitzern, das es ihm ermöglicht, das Mitgefühl wegzuschieben, das er plötzlich für Rocco empfindet, obwohl dieser Typ es nicht verdient hat weiterzuleben.
    Als Rudy Lucy ansieht, springt ein Funke zwischen ihnen über.
    Schweiß läuft Lucy das Gesicht hinunter, und Haarsträhnen kleben an ihren Schläfen. Sie ist bleich, und Rudy ahnt, dass sie sich zu jedem ihrer Versuche, spöttisch zu sein, zwingen muss und die schrecklichste Rolle ihres Lebens spielt.
    Er zieht den Schieber zurück, sodass eine Patrone in die Kammer gleitet, und nähert sich Rocco.
    »Ein Rechtshänder, richtig, Partner?«, wendet Rudy sich ruhig an Lucy.
    »Richtig.«
    Sie wendet den Blick nicht von Rocco ab. Ihre Hände haben zu zittern begonnen, und sie zwingt sich, an Jay Talley und seine bösartige Geliebte Bev Kiffin zu denken.
    Bilder.
    Lucy vergegenwärtigt sich die Trauer im Gesicht ihrer Tante, als diese das, was sie für Benton Wesleys Asche hielt, über dem Wasser verstreute.
    Sie hat das Gefühl, als würde ihr Gehirn in ihrem Schädel hin und her rutschen. Obwohl sie noch nie seekrank war, stellt sie sich das ungefähr so vor.
    »Ihre Entscheidung«, sagt sie zu Rocco. »Das meine ich ernst. Sie können jetzt sterben, ohne Schmerzen zu leiden. Keine Verbrennungen. Kein Ertränken. Die rote Meldung wird dort gefunden werden, wo Sie sie fallen gelassen haben, was Ihren Selbstmord absolut verständlich macht. Natürlich können Sie auch hier rausspazieren, immer in der Ungewissheit, wann Sie Ihren letzten Atemzug tun und welchen Albtraum Sie werden ertragen müssen, wenn die Chandonnes Sie erwischen. Und das werden sie bestimmt.«
    Rocco nickt. Natürlich werden sie das. Das ist eine Tatsache. »Strecken Sie Ihre rechte Hand aus«, weist Rudy ihn an.
    Rocco verdreht wieder die Augen zur Decke.
    »Sehen Sie? Ich halte die Pistole. Ich werde Ihnen helfen«, fährt Rudy im Plauderton fort und mimt den Gleichgültigen, während sein Schweiß auf den Teppich tropft.
    »Pass auf, dass der Lauf nach oben zeigt«, meint Lucy, die an den Kopf des enthaupteten Nazis denkt.
    »Los, Rocco, machen Sie, was ich sage. Es tut nicht weh. Sie werden gar nichts spüren.«
    Rudy setzt den Lauf an Roccos rechter Schläfe auf.
    »Nach oben«, erinnert Lucy ihn noch einmal.
    »Sie legen die Hand um den Griff, und ich halte meine darüber.«
    Rocco schließt die Augen, und seine Hand zuckt auf und ab. Als sich seine Wurstfinger um den Griff schließen, senkt sich Rudys große, kräftige Hand sofort darauf.
    »Ich muss Ihnen helfen, weil Sie die Pistole nicht ruhig halten können«, erklärt Rudy. »Wenn Sie nicht geradeaus schießen, wäre das Ergebnis ziemlich scheußlich. Und ich kann Ihnen schließlich nicht einfach die Waffe in die Hand drücken. Das wäre ziemlich leichtsinnig von mir.« Seine Stimme klingt nun ganz sanft. »Schauen Sie, so schwierig ist das doch gar nicht. Und jetzt pressen Sie den Lauf fest an Ihren Kopf.«
    Rocco würgt, seine Brust hebt und senkt sich. Er fängt an zu hyperventilieren.
    »Nach oben«, meint Lucy noch einmal. Sie konzentriert sich auf den Kopf des enthaupteten Nazis und versucht, Roccos Kopf nicht anzusehen.
    Er schwankt in seinem Sessel hin und her und atmet flach. Sein Gesicht ist hochrot, die Augen hat er fest zugekniffen. Rudys behandschuhter Finger betätigt den Abzug.
    Die Waffe geht mit einem lauten Plopp los.
    Rocco und der Sessel kippen nach hinten. Sein Kopf landet auf den britischen Zeitungen, die auf dem Teppich verstreut sind; sein Gesicht ist dem Fenster zugewandt. Blut gurgelt aus seinem Kopf wie aus einer Wasserleitung. In der Luft liegt beißender Pulverdampf.
    Rudy kauert sich hin, um Roccos schlaffen rechten Arm mit der Pistole unter seine Brust zu schieben. Auf dem Colt aus blauem Stahl werden nur Fingerabdrücke von Rocco, ganz oder in Teilen, sichergestellt werden.
    Lucy öffnet das Fenster einen Spalt, nicht weiter als zehn Zentimeter, und reißt sich die Handschuhe von den Händen, während Rudy zwei Finger an Rocco Caggianos Karotidarterie drückt. Der Puls pocht schwach und verebbt schließlich. Er nickt Lucy zu und steht auf. Aus einer Jackentasche kramt er ein deutsches Senfglas heraus. In den Deckel sind Löcher gebohrt, und innen im Glas krabbeln Schmeißfliegen herum. Sie ernähren sich von verfaulten Fleischresten, mit denen sie gestern

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