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Die Dämonen ruhen nicht

Die Dämonen ruhen nicht

Titel: Die Dämonen ruhen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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ihn am Storrow Drive aussteigen lässt, in der Nähe, aber nicht zu nah bei Benton Wesleys Wohnung, zeigt das Taxameter 68,35 Dollar. Marino reißt die Tür auf und wirft einen zerknitterten Ein- Dollar-Schein auf den Vordersitz.
    »Sie schulden mir noch siebenundsechzig Dollar und fünfunddreißig Cent.« Der Taxifahrer streicht den Geldschein auf dem Oberschenkel glatt. »Ich rufe die Polizei!«
    »Und ich prügel dich windelweich, ohne dass du was dagegen tun kannst, denn du hast bestimmt keine Arbeitsgenehmigung, richtig? Zeig mir mal deine Greencard, Arschloch. Und soll ich dir noch was verraten? Ich bin Polizist und habe eine Pistole unter dem Arm.« Er zieht die Brieftasche heraus und zeigt die Dienstmarke, die er der Polizei von Richmond nicht zurückgegeben hat, als er in den Ruhestand gegangen ist.
    Er hat behauptet, er hätte sie verloren.
    Reifen quietschen, als der Taxifahrer davonbraust und dabei
    Verwünschungen durch das offene Fenster brüllt. Marino geht in Richtung Longfellow-Brücke, biegt nach Südosten ab und folgt kurz demselben Bürgersteig, den er und Benton heute Nachmittag entlanggeschlendert sind. Er nimmt einen Umweg über die von Gaslaternen gesäumten Pinckney und Revere; wie immer lauscht er dabei ständig, schaut sich um und vergewissert sich, dass ihn wirklich niemand beschattet. Dabei fürchtet Marino nicht etwa das Chandonne-Kartell, sondern ist eher auf der Hut vor den üblichen Straßenkriminellen und Spinnern, obwohl er in diesem Teil von Beacon Hill noch keine Hinweise auf solche Leute entdeckt hat.
    Als Bentons Haus in Sicht kommt, stellt Marino fest, dass die Fenster von Wohnung 46 dunkel sind.
    »Scheiße«, murmelt er und wirft seine Zigarette weg, ohne sich die Mühe zu machen, sie auszutreten.
    Bestimmt ist Benton zu einem späten Abendessen, ins Fitnessstudio oder zum Joggen gegangen. Allerdings ist das nicht sehr wahrscheinlich. Marinos Angst nimmt bei jedem Schritt zu und schnürt ihm die Brust ab. Er weiß verdammt gut, dass Benton das Licht anlassen würde, wenn er aus dem Haus ginge. Er gehört nämlich nicht zu der Sorte von Leuten, die eine stockdunkle Behausung betreten würden.
    Die Treppen zum vierten Stock strengen Marino noch mehr an als beim letzten Mal, denn Adrenalin und Bier lassen sein überfordertes Herz so schnell schlagen, dass er kaum noch Luft bekommt. Als er Wohnung 4 6 erreicht, klopft er laut an die Tür. Von drinnen ist kein Geräusch zu hören.
    Er klopft noch heftiger. »Hey, Tom!«, brüllt er.

43
    Lucy startet den Mercedes, dann starrt sie Rudy plötzlich in der schwarzen Finsternis an.
    »Oh Gott, ich fasse es nicht!« Als sie mit der Faust aufs Lenkrad schlägt, kommt sie versehentlich an die Hupe.
    »Was ist?« Rudy zuckt zusammen und wird plötzlich von Panik ergriffen. »Was, zum Teufel, tust du da?«
    »Mein Totschläger. Verdammte Scheiße! Ich habe ihn auf dem Nachtschränkchen liegen lassen. Bestimmt sind meine Fingerabdrücke drauf, Rudy.«
    Wie konnte sie nur so einen hirnlosen Fehler machen? Alles ist nach Plan gelaufen, bis sie nachlässig geworden ist. Ein gedankenloser Schnitzer, wie er Menschen, die auf der Flucht sind, immer wieder zum Verhängnis wird. Mit leise laufendem Motor stehen sie am dunklen Straßenrand. Weder Lucy noch Rudy sind sicher, was sie tun sollen. Sie sind frei. Sie haben es geschafft. Niemand im Hotel hat sie bemerkt. Und jetzt muss einer von ihnen zurück.
    »Tut mir Leid«, flüstert Lucy. »Ich bin eine verdammte Idiotin«, fügt sie hinzu. »Du wartest hier.«
    »Nein. Ich erledige das.« Rudys Angst verwandelt sich in das leichter zu beherrschende Gefühl von Wut, und er widersteht der Versuchung, sie an Lucy auszulassen.
    »Ich habe Scheiße gebaut. Also muss ich es wieder gerade bügeln.« Sie macht die Autotür auf.

44
    Bev Kiffin fährt mit den Fingern einen Ständer mit billigen Höschen und BHs aus Kunstfaser entlang.
    Die Abteilung Damenwäsche bei Wal-Mart befindet sic h g leich neben der Bastelabteilung und gegenüber von den Herrensportschuhen. Bev stöbert häufig hier herum, ist aber sicher, dass die Verkäuferinnen mit den schäbigen blauen Kitteln und den Namensschildern sie nicht erkennen. In solchen Billigsupermärkten, die vierundzwanzig Stunden pro Tag und sieben Tage die Woche geöffnet haben, kümmern sich die müden, erschöpften Mitarbeiter nicht um unauffällige Kundinnen, die wie Bev auf Schnäppchenjagd sind.
    Ein roter Spitzen-BH beflügelt ihre Phantasie. Sie sieht nach

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