Die Dämonenfängerin. Aller Anfang ist Hölle
Finger über die Seite, bis sie auf folgende Beschreibung stieß:
Klepto-Dämon (Elster, Höllendieb), 7,5 cm groß, hellbraune Haut, spitze Ohren. Trägt häufig Ninja-Outfit und schleppt einen kleinen Beutesack mit sich herum. Kann Schmuck, Münzen oder glänzenden Gegenständen nicht widerstehen.
Das dürfte kein Problem sein, den zu erwischen. Oder vielleicht doch? Zumindest konnten die Kleptos einen nicht verfluchen oder anpinkeln. Ihre dämonische Aktivität beschränkte sich darauf, glitzerndes und funkelndes Zeug zu klauen.
Aber warum ist er in unserer Wohnung?
Das müsste doch der letzte Ort sein, an dem ein Dämon sich erwischen lassen wollte.
Riley ließ sich auf das durchgesessene Sofa plumpsen und suchte den winzigen Raum gründlich mit Blicken ab. Der Dämon konnte überall stecken, obwohl er wahrscheinlich irgendwelchem Glitzerzeug nachjagte. In der Nähe des provisorischen Bücherregals, das sie aus gefundenen Kanthölzern selbst gezimmert hatten, war nichts zu sehen. Auch nicht bei den Familienfotos auf dem obersten Brett des Regals. Einer der Rahmen funkelte im Licht, aber er war wahrscheinlich zu groß für den winzigen Dämon, um ihn wegzukarren.
»Wo steckst du?« rief sie mit halb singender Stimme. Nichts rührte sich. Also gut, schließlich war sie eine Fängerin. Sie blätterte weiter im Handbuch und fand die Stelle, an der beschrieben wurde, wie man eine Elster einfing. Sie überflog den Text, um ihre Erinnerung aufzufrischen. Sie musste ihn unbedingt finden. Wie sollte sie sonst, ohne funktionierende Tastatur, ihre Semesterarbeit zu Ende bringen?
Aus dem Treppenhaus ertönte ein scharfes Fauchen. Dann ein Knurren. War der Dämon aus der Wohnung entwischt? Riley schnappte sich eine Lerntasse aus dem Schrank, die ihr Vater extra mit etwas Glitter präpariert hatte. Als sie langsam die Tür aufzog, entdeckte sie Max ein paar Schritte entfernt, mit gesträubtem Fell und Buckel. Jedes Schnurrhaar zitterte vor Anspannung.
Der Grund für seine Aufregung kroch nahe am Lüftungsgitter über den Fußboden. Es war ein Höllendieb. Dem Biblio nicht unähnlich, war die Elster so groß wie eine menschliche Hand und hatte einen gespaltenen Schwanz. Die Augen waren rot, aber nicht so hell lodernd, dass es sie beunruhigen würde. Wütend versuchte der Dämon, einen kleinen Beutel durch die Lamellen des Lüftungsschachtes zu stopfen, doch selbst Riley erkannte, dass er nicht hindurchpasste. Der Dämon würde den Sack nicht zurücklassen, denn ihre »Schätze« bedeuteten den Kleptos mehr als alles andere.
Max machte einen Schritt auf den kleinen Höllendiener zu, sein Knurren wurde noch tiefer. Wenn es ein Biblio gewesen wäre, hätte er dem Kater eine Faust in die Nase gerammt oder ihm in die Augen gepinkelt und anschließend das Weite gesucht. Elstern dagegen überlebten in der Heimlichkeit. Unglücklicherweise hatte diese hier keinen Ort, an dem sie sich verstecken konnte.
»Max?« Der Rücken des Tieres zitterte vor Überraschung, als es ihre Stimme hörte, aber er ließ nicht in seiner Wachsamkeit nach. »Du kannst ihn nicht essen. Davon würdest du nur krank werden. Alle Haare würden dir ausfallen, und dann würdest du Krämpfe bekommen. Innerhalb kürzester Zeit wärst du mausetot, kapiert?«
Der Kater knurrte als Antwort. Das warnende Fauchen des Dämons war nicht weniger laut.
»Komm schon, Max. Lass ihn in Ruhe«, sagte Riley beschwörend.
Mit übertrieben langsamen Bewegungen machte er einen weiteren Schritt auf die Elster zu.
Im Stockwerk unter ihnen wurde eine Tür zugeknallt. Bei dem Geräusch machte Max einen Satz und verlor einen Moment lang den Blickkontakt. Das verschaffte Riley die Ablenkung, die sie brauchte. Mit einer raschen Fußbewegung schob sie den Jäger ein Stückchen den Flur zurück. Sie wedelte mit den Armen in der Luft herum und rief ihm irgendwelchen Unsinn zu. Der Kater raste davon.
Als sie sich umdrehte, versuchte der Dämon immer noch, seinen Sack durch den Lüftungsschlitz zu stopfen. Sie kniete sich hin, drehte den Deckel von der Tasse und streute etwas Glitter auf den Fußboden.
Der Dämon hielt in seinem verzweifelten Fluchtversuch inne. Er starrte auf den Glitter und begann zu keuchen, die Finger zuckten voller Vorfreude. Das Zucken wurde stärker. Schneller als erwartet rannte er trotz der Gefahr auf die funkelnden Stückchen zu. Riley schnappte sich den Wicht, als er gerade das letzte Stück eingesammelt hatte, und ließ ihn in die Tasse fallen.
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