Die Dämonenfalle
der Absperrung aus Polizisten. Da landete eine Bierdose auf meiner Schulter. Ich zuckte erschrocken zusammen. Glücklicherweise war sie leer. Doch ich sah, wie auch Flaschen durch die Luft flogen, was mich ziemlich nervös machte.
»Lasst mich durch, ihr Arschlöcher!«, brüllte Abbey in bester »Ich-geb-hier-den-Ton-an«-Manier den Polizisten zu.
Der Ordnungshüter, der uns am nächsten stand, sah sie verwirrt an. Da hämmerte sie schon wütend auf seinen Schutzschild ein. »Ich hab das Recht, hier durchzugehen, du faschistischer Bastard, das ist immer noch ein freies Land. Warum also verpisst du dich nicht endlich und gehst deinem Vorgesetzten auf den Sack? Und jetzt lass mich durch …« Sie hatte dabei nicht aufgehört, auf seinen Schild einzuhämmern. Ich stand dicht hinter ihr und wurde von hilfreichen Genossen nach vorne gestoßen und geschoben, wie um Abbeys Worten Nachdruck zu verleihen. Ich schrie vor Schmerz auf, doch niemand nahm Notiz davon.
Etwas musste geschehen, jemand musste weichen. Zur Abwechslung war es der Polizeikordon. Plötzlich fand ich michauf Abbey liegend wieder, die ihrerseits auf dem Polizisten lag. Hinter uns war ein halbherziges Johlen zu hören. Und auch viele Trillerpfeifen. Als ich mich auf die Knie stemmte, hörte ich Hundegebell, und ich wimmerte vor Furcht. Ich hasse Hunde, hab’ eine Scheißangst vor ihnen.
Schon näherten sich weitere Einsatzkräfte, um die Lücke in der Polizeikette zu schließen, die Abbey gerissen hatte. Zu beiden Seiten entstanden Rangeleien. Demonstranten wurden in Handschellen gelegt und abgeführt. Kleidung wurde zerfetzt. Die entsetzlichen Teleskopschlagstöcke trafen auch Menschen, die keine Bedrohung darstellten. Ich sah Blut.
Plötzlich wurde ich am Kragen meiner Bluse auf die Füße gerissen. Ein Polizeihelm erschien in meinem Blickfeld. »Alles okay?«, ertönte eine gedämpfte Stimme hinter dem blinden Visier.
Ich brachte nur ein Jammern zustande. Es war erbärmlich, aber ich fühlte mich so schlecht, hatte solche Panik, dass es mir egal war.
»Hinsetzen! Warten Sie hier!« Ich wurde wieder auf den frisch aufgeschütteten Erdwall niedergedrückt. Einen Meter unter mir schlug sich ein endloser Strom aus Rucksackreisenden mit eingezogenen Köpfen zum leuchtenden Wurmloch durch. Sie alle starrten mich angsterfüllt an, als wäre ich ein Dämon. Das ist nicht richtig, das ist überhaupt nicht richtig. Ich bin doch eine von den Guten. Wagen um Wagen rollte auf seinem Weg Richtung Wurmloch an mir vorbei, mit Fahrern, die verbissen ihre Lenkräder umklammert hielten.
Das sah ich einen marineblauen BMW-Geländewagen mit einem Pferdeanhänger vorbeifahren. Der Fahrer blickte konzentriert nach vorn. Das Auto kam mir irgendwie bekannt vor …
»Nimm deine Scheißhände von mir, du Arschloch. Das ist ein tätlicher Angriff, weißt du das? Dafür zerre ich dich vor Gericht … oh scheiße, nimm mir sofort die Handschellen ab, die sind zu eng … du tust mir absichtlich weh … Hilfe, hilfe …«, schrie Abbey hinter mir.
»Das ist Colin«, flüsterte ich. »Abbey, das ist Colin!« Meine Stimme hob an.
»Was?«
»Colin!« Ich fuchtelte wild in Richtung des Konvois. Auf dem Rücksitz des BMW saß Olivia und presste ihr Gesicht gegen die Scheibe, um sich die ganzen Verrückten oben auf der Böschung anzusehen. Da trafen sich unsere Blicke. Wir starrten einander an. »Er nimmt sie mit. Oh Gott, er nimmt sie mit durchs Wurmloch.«
Abbey gab dem Polizist, der sie festgenommen hatte, einen beherzten Stoß, und ihr Gewicht warf ihn um. »Ihnen nach!«, schrie sie mich an. »Lauf.« Drei wütende Einsatzkräfte versuchten, Abbey zu packen. Ein Schlagstock wurde gezückt. Sie rammte ihre Schulter gegen mich. Ich stürzte mit rudernden Armen die Böschung hinab. Mein Knie war ein einziger Schmerz. Ich kollidierte mit einem der Rucksackreisenden, dann landete ich kaum einen halben Meter vor einem Transport auf dem Asphalt, dessen Fahrer daraufhin ein wildes Ausweichmanöver veranstaltete.
»Halt sie zurück!«, brüllte Abbey von oben. »Das sind deine Kinder! Es ist dein Recht!« Sie verschwand in ihrem eigenen Pulk aus Polizisten.
Die Fahrzeuge auf der Straße bremsten der Reihe nach ab. Ich sah auf. Jeder hinter Colins BMW kam zum Stehen. Auch Colin. Da surrte sanft das Seitenfenster der Fahrerseite herunter, und er steckte seinen Kopf hinaus. Wir starrten einander an. Eine Welle unterschiedlichster Emotionen flutete über sein Gesicht. Hauptsächlich
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