Die Daemonenseherin
Hantieren mit dem Duschgel, kein Klappern der Brause und auch nicht das Tappen von Schritten.
Logan hielt das Warten nicht länger aus. Er klopfte an die Badezimmertür.
»Alessa?«, rief er und klopfte noch einmal, als sie ihm nicht antwortete.
Schweigen antwortete ihm.
Noch einmal rief er ihren Namen. Diesmal lauter.
Es blieb still.
Seine Fantasie gaukelte ihm in schillerndsten Farben vor, was alles passiert sein konnte. Dass sie unter der Dusche ausgerutscht und gestürzt sein mochte, gehörte noch zu den harmlosen Bildern. Es half nichts. Er musste hinein! Im schlimmsten Fall würde sie ihn für einen paranoiden Spinner halten, dann konnte er immer noch so tun, als hätte er lediglich zu ihr unter die Dusche steigen wollen, um mit ihr zusammen zu sein.
Mit einem Ruck warf er sich gegen die Tür. Der Türstock splitterte und die Tür flog auf. Das Erste, was er sah, war ein blutiger Handabdruck auf dem Waschbecken.
Dann entdeckte er sie.
Alessa lag unter dem Waschtisch in ihrem eigenen Blut. Aus einer tiefen Wunde oberhalb ihres Schulterblatts wuchs ein Schatten empor, eine messerscharfe Klaue, die sich langsam über ihre Schulter vorantastete.
Mein Gott, er bricht aus!
Logan packte das blutige Skalpell, das neben Alessa auf dem Boden lag, bevor er damit jedoch nach den Klauen schlagen konnte, regte sich Alessa.
»Nein«, murmelte sie und hob kraftlos den Arm, um das Monster zu verscheuchen, das sie zu überwältigen versuchte. »Verschwinde …«, keuchte sie. »Du … verdammtes … Vieh.«
Das Abbild der scharfen Krallen flackerte und erlosch.
Alessas Kopf sackte auf die Fliesen zurück.
Mit einem unterdrückten Knurren ließ Logan das Skalpell fallen und drehte Alessa zu sich herum. »Alessa? Kannst du mich hören?«
Als er ihren Oberkörper ein Stück anhob, stöhne sie auf. »Zerstören«, flüsterte sie unter Tränen. »Du musst ihn zerstören. Bitte, Logan.«
»Und dich dabei weiter aufschneiden, so wie du es getan hast?«
Das Wissen, dass sie versucht hatte diese Kreatur zu töten, machte ihn beinahe verrückt. Er wusste nicht, ob er sie festhalten sollte, erleichtert darüber, dass sie lebte, oder ob er sie angesichts dieser Wahnsinnstat schütteln und anschreien sollte.
Sie brauchte einen Arzt. Jemanden, der ihre Wunde fachmännisch versorgte, doch er konnte nicht riskieren, dass jemand sah, was sich unter ihrer Haut versteckte. Er musste selbst tun, was nötig war, und konnte nur hoffen, dass es genügen würde.
Vorsichtig legte er sie auf den Boden und zog den Verbandskasten zu sich. Alessa bewegte sich und wollte sich aufsetzen, doch Logan legte ihr eine Hand auf den Arm und zwang sie liegen zu bleiben. Der Boden musste scheußlich kalt sein und die Schmerzen unerträglich, aber bevor er auch nur daran denken wollte, sie zu bewegen, musste er die Blutung stillen.
Mit ruhigen Handgriffen, die er während seiner Zeit bei der Behörde und den Special Forces schon so oft durchgeführt hatte, machte er sich ans Werk. Er holte ein starkes Schmerzmittel aus einem der Schränke, zog eine Spritze damit auf und injizierte es ihr in den Arm.
Während er wartete, dass das Mittel wirkte, presste er eine Bandage auf die Wunde. Sobald sie aufhörte zu bluten, suchte er das nötige Verbandszeug zusammen und legte Nadel und Faden bereit. Vorsichtig wusch er das Blut von ihrer Schulter und desinfizierte die Wunde. Es sah schlimm aus. Rund um den Schnitt herum hatten unzählige Stiche die Haut perforiert, als hätte sie versucht den Dämon zu erstechen.
Wie verzweifelt musste sie gewesen sein, um sich selbst etwas derart Schreckliches anzutun?
»Ich habe dir ein Schmerzmittel gegeben«, erklärte er in gezwungener Ruhe, »trotzdem wirst du es spüren, wenn ich nähe. Schaffst du das?«
Sie nickte matt, ohne die Augen zu öffnen.
Logan versuchte so schnell wie möglich zu arbeiten, doch es waren viele Stiche nötig, um die Wundränder zusammenzuziehen. Bei jedem Stich gab Alessa ein unterdrücktes Keuchen von sich. Schweiß bedeckte ihre Stirn und rann über ihr Gesicht. Dann sank ihr Kopf zur Seite und sie war nicht mehr zu hören. Logan vergewisserte sich, dass sie nicht ersticken konnte, dann beeilte er sich, es zu Ende zu bringen, ehe sie wieder zu sich kam.
Sobald die Naht fertig war, legte er einen Verband an und wusch ihr das restliche Blut vom Rücken. Er stellte die Dusche ab und holte einen Pyjama aus dem Schrank. Sie wachte weder auf, als er ihn ihr anzog, noch als er sie zum Bett
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