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Die Daemonenseherin

Die Daemonenseherin

Titel: Die Daemonenseherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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dauern, bis er endgültig aus seinem Gefängnis ausbrach? Ein paar Stunden? Tage? Eine Woche?
    »Es muss eine Art Projektion gewesen sein«, spekulierte Logan. »Ich weiß nicht, ob er mich tatsächlich hätte angreifen können. Aber vielleicht verstehst du jetzt, warum du auf keinen Fall noch einmal auf deine Gabe zurückgreifen darfst. Bitte versprich es mir, Alessa.«
    Ihre Zunge klebte am Gaumen fest. »Ich weiß nicht, ob das geht«, quetschte sie heraus. »Es gibt Situationen – vor allem wenn ich mich bedroht fühle –, da bricht es einfach aus mir heraus, ohne dass ich etwas dagegen tun kann.«
    »Dann musst du dagegen ankämpfen«, sagte er fest. »Finde einen Weg, deine Schutzschilde zu verstärken und diesen Dreckskerl hinter so dicken Mauern verschwinden zu lassen, dass er nicht einmal mehr herauskäme, wenn du es wolltest.«
    Sie nickte, nicht länger imstande, etwas zu sagen, als hätte das Grauen mit seinen eisigen Fingern ihre Stimme erstickt.
    Logan redete auf sie ein. Seine Lippen bewegten sich, seine Mimik arbeitete, doch sie verstand kein Wort. Panik summte in ihren Ohren, wurde immer lauter und brachte alles andere um sie herum zum Verstummen.
    Es musste einen Weg geben.
    Diese Kreatur durfte nicht gewinnen. Nicht jetzt, wo sie endlich jemanden gefunden hatte, der mehr für sie war, als es ein anderer Mann je hätte sein können. Sie wollte nicht zulassen, dass ihr dieses Glück sofort wieder entrissen wurde.
    Einen Weg.
    Sie musste nachdenken.
    Aber solange Logan sie so ansah, voller Sorge und von dem Wunsch besessen, ihr zu helfen, konnte sie unmöglich einen klaren Gedanken fassen. Stattdessen würde sie sich noch mehr im Selbstmitleid suhlen und auf ein Wunder hoffen – bis es zu spät war.
    »Alessa?« Eine Berührung an ihrem Arm riss sie in die Wirklichkeit zurück. »Du zitterst. Komm, leg dich wieder hin. Schlaf ein wenig.«
    Schlafen? Und dabei riskieren, dass dieses Ding erneut auftauchte und ihn diesmal vielleicht angriff? Abgesehen davon, dass sie sowieso keine Ruhe finden würde, war das so ziemlich das Letzte, was sie wollte. Sie schüttelte den Kopf. Ehe Logan sie aufhalten konnte, sprang sie aus dem Bett und flüchtete ins Bad. Sie sperrte die Tür hinter sich ab und kauerte sich in der Ecke zwischen Wanne und Wand zusammen. Am liebsten hätte sie geheult, die Tränen brannten schon in ihren Augen, doch sie wollte jetzt nicht schwach sein.
    Es dauerte nicht lange, bis es klopfte.
    »Alessa?«
    Hastig fuhr sie sich über die Augen und schluckte die Tränen hinunter, die sich in ihrer Kehle festgesetzt hatten, ehe sie ein heiseres »Ja?« herausbrachte.
    »Ist alles in Ordnung?«
    »Nein. Ja. Ich …« Sie schüttelte den Kopf. Nichts war in Ordnung und vielleicht würde es das nie wieder sein, wenn sie nicht endlich einen Weg fand, dieses Ding loszuwerden! »Ich bin okay«, brachte sie schließlich heraus. »Ich möchte nur duschen. Gib mir einfach ein paar Minuten, ja?«
    Stille folgte auf ihre Worte, als müsse er abwägen, ob er sie jetzt tatsächlich allein lassen konnte. Schließlich sagte er: »Sicher.«
    Sie stand auf und legte die flache Hand auf die Tür. »Danke«, flüsterte sie so leise, dass er es nicht hören konnte.
    Dann ging sie zur Dusche und drehte den Wasserhahn auf. Statt jedoch unter den Strahl zu steigen, setzte sie sich auf den Wannenrand und starrte auf die hellen Fliesen. Sie war allein – so wie sie es während der letzten Jahre immer gewesen war. Nur dass es sich dieses Mal schlimmer anfühlte als jemals zuvor.
    Ihre Schulter pulsierte mittlerweile so heftig, dass es schmerzte. Sie spürte ein Brennen unter der Haut und hatte das Gefühl, als würde es sie innerlich zerreißen. Entsetzt sprang sie auf und drehte sich so weit, bis sie die Stelle im Spiegel sehen konnte. Dunkel pochte das Samenkorn unter ihrer Haut. War es beim letzten Mal noch faustgroß gewesen, so hatte es mittlerweile den Umfang eines Säuglingskopfes. Mit jedem Pochen zeichneten sich die Umrisse deutlich sichtbar unter der Haut ab und schienen tatsächlich eine Art von Gesicht darzustellen – eine Fratze, die keinerlei Ähnlichkeit mit dem unschuldigen Gesicht eines Säuglings hatte.
    Sie kniff die Augen zusammen. »Du wirst mir nicht länger das Leben zur Hölle machen, du verdammter Drecksack!«
    Er musste verschwinden. Ein für alle Mal!
    Auf der Suche nach einem Verbandskasten riss sie eine Schublade nach der anderen auf. Im Schrank unter dem Waschbecken fand sie nicht nur

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