Die Daemonenseherin
trug und unter die Decken legte.
Er selbst zog sich einen Stuhl heran und blieb an ihrer Seite sitzen, die SIG in der Hand für den Fall, dass der Dämon sich erneut zeigte. Doch die Kreatur blieb verschwunden.
Von Zeit zu Zeit flößte er Alessa ein wenig Wasser ein, und nach ein paar Stunden, als sie unruhig zu werden begann und sich der Schmerz in ihren Zügen zeigte, spritzte er ihr noch einmal etwas von dem Schmerzmittel. Sie entspannte sich sichtlich und er ging ins Bad und machte sauber.
Zu wissen, dass es ihr Blut war, das er da vom Boden wischte, war beinahe noch schwerer zu ertragen als ihr Anblick. Er wusste, warum sie es getan hatte, umso wütender machte es ihn, dass sie dieses Risiko auf sich genommen hatte, ohne auch nur mit ihm zu sprechen. Ich hätte es ihr ausreden können. Vermutlich war das auch der Grund, warum sie nichts gesagt hatte.
Fest entschlossen, nicht zuzulassen, dass sie etwas Ähnliches noch einmal versuchte, kehrte er zu ihr ins Schlafzimmer zurück.
*
Ein dumpfer Schmerz weckte Alessa aus dem Schlaf. Es fühlte sich an, als würde jemand durch eine dicke Schicht Watte gegen ihre Schulter drücken – mit einem Schraubstock.
Bilder flammten wie zuckende Blitze vor ihrem inneren Auge auf. Das Skalpell. Blut. Viel Blut. Schmerz. Und dann war er da gewesen – Logan. Alessa konnte sich kaum erinnern, was danach geschehen war. Sie glaubte, dass er ihr etwas gespritzt hatte und dass er wütend gewesen war.
Langsam zählte sie bis zehn und – als das nicht half – weiter bis zwanzig. Als sie schließlich bei fünfzig war und sich noch immer nichts verändert hatte, gab sie auf und öffnete die Augen.
Verschwommen nahm sie die Silhouette eines Kissens und einer Decke wahr, die sie bis zur Nasenspitze hochgezogen hatte. Sie lag auf der Seite, den Blick auf ein Nachtkästchen gerichtet, dessen Umrisse sich unscharf aus dem Halbdunkel schälten. Blinzelnd starrte sie darauf, bis sie die Lampe darauf klar erkennen konnte, deren Licht der Dunkelheit ihren Schrecken nahm.
Logan lag hinter ihr, einen Arm hatte er um ihre Taille geschlungen und war so dicht herangerückt, dass sie nicht nur die Wärme seines Körpers, sondern auch seinen Herzschlag fühlte.
Sobald sie sich bewegte, spürte sie, wie sich seine Muskeln in ihrem Rücken anspannten. »Wie fühlst du dich?« Er klang wesentlich sanfter als vorhin im Badezimmer.
»Okay«, sagte sie heiser und hätte um ein Haar ihre Stimme selbst nicht erkannt, so rau und brüchig klang sie.
»Okay?« Er richtete sich auf und beugte sich über sie, sodass sie sein Gesicht sehen konnte. Er war noch immer wütend, sie sah es an seinen Augen, doch sein Ton war ruhig, als versuche er sie nicht aufzuregen. »Einfach so? Keine Schmerzen?«
»Ein wenig.« Das war gelogen. In ihrer Schulter pulsierte es jetzt wieder heftiger, aber das wollte sie ihm nicht sagen, um ihn nicht zu beunruhigen.
Logan strich ihr das Haar aus dem Gesicht. »Du hast mir einen gewaltigen Schrecken eingejagt.«
Alessa hielt den Atem an. Gleich würde er ihr sagen, dass es zu gefährlich war, sie weiterhin frei herumlaufen zu lassen, und dass er sie doch lieber der Gemeinschaft übergeben würde, ehe der Dämon endgültig ausbrach.
Wieder strich seine Hand über ihren Arm. »Ich weiß, warum du es getan hast«, flüsterte er, »aber du musst mir versprechen, dass du nie wieder so etwas Dummes tun wirst.«
»Aber –«
»Versprich es mir!«
Alessa wusste nicht, ob sie das konnte.
Er seufzte. »Ich kann deine Verzweiflung und deine Angst verstehen, aber ich vertraue auch darauf, dass du ihn unter Kontrolle halten kannst. Wir schaffen das, du musst nur daran glauben.«
»Denkst du nicht, die Seher, die auf dem Leith Walk gestorben sind, hätten ebenfalls geglaubt, die Oberhand behalten zu können? Der Dämon wächst in mir und gewinnt an Macht. Und wenn er erst einmal stark genug ist, werde ich ihn nicht länger halten können. Er wird mich zerreißen, und es gibt nichts, was ich dagegen tun kann.«
»Wir werden einen Weg finden. Gemeinsam. Das verspreche ich dir.« Logan strich ihr das Haar aus der Stirn und sah ihr so fest in die Augen, dass sie ihm alles geglaubt hätte. Seine Zuversicht und sein Vertrauen verschlugen ihr den Atem.
»Ich dachte, ich könnte ihn loswerden so wie den Chip, doch dieses Ding … es entzieht sich jedem Versuch, es zu packen.« Tränen der Frustration und Angst schossen ihr in die Augen. »Als ich geschlafen habe, ist er da wieder
Weitere Kostenlose Bücher