Die Daemonenseherin
macht.«
Alessa war froh, dass es den beiden gut ging und dass Logan für ihren Schutz gesorgt hatte. Ob sie dabei nun pokerten oder die Decke anstarrten, konnte ihr vollkommen gleichgültig sein.
Es war schon erstaunlich, welche Wendung ihr Leben während der letzten Tage genommen hatte. Nach all der Zeit allein waren da plötzlich wieder Freunde, Menschen, die sich um sie sorgten und bereit waren, ihr zu helfen. Sie würde nicht zulassen, dass einem von ihnen etwas zustieß.
Womöglich konnte Kent ihr dabei helfen, das zu verhindern. Umständlich setzte sich auf und sog scharf die Luft ein, als ein scharfer Stich durch ihre Schulter fuhr. Kent stopfte ihr ein Kissen in den Rücken, sodass sie aufrecht sitzen konnte. Es war anstrengend und kostete erschreckend viel Kraft, trotzdem zwang sie sich sitzen zu bleiben, statt sich wieder zusammenzurollen und die Augen zu schließen, wie sie es am liebsten getan hätte. Mit zittrigen Fingern rückte sie den Flanellpyjama zurecht.
»Hast du schlimme Schmerzen?«
»Das Mittel lässt allmählich nach.« Tatsächlich schwand die Wirkung rapide und das anfänglich dumpfe Pochen wuchs sich mehr und mehr zu einem heftigen Brennen und Ziehen aus.
»Ich sage ihm, dass du noch etwas brauchst.«
»Nein, nicht.«
Er runzelte die Stirn. »Machst du einen auf Supergirl?«
Sie schüttelte den Kopf. »Glaub mir, wenn ich eine andere Wahl hätte, würde ich mich bis oben hin mit dem Zeug vollpumpen lassen.«
»Ist das wieder eine deiner gefährlichen Ideen? Nimm kein Schmerzmittel in der Hoffnung, dass der Dämon verreckt?«
»Leider nein.« Ehe er doch noch gehen und Logan rufen konnte, erzählte sie ihm von dem Abbild des Dämons, das Logan gesehen hatte, als sie schlief. »Ich weiß nicht, ob er tatsächlich imstande gewesen wäre, Schaden anzurichten, und ich habe nicht vor, es herauszufinden. Das Schmerzmittel macht mich müde, beim ersten Mal hat es auch den Dämon ausgeknockt, aber er scheint sich daran gewöhnt zu haben. Das Risiko, einzuschlafen, während er hellwach ist, ist mir einfach zu groß.«
Kent warf einen Blick auf den Nachttisch. »Deshalb der Wecker?«
»Ich habe ihn so eingestellt, dass er alle zehn Minuten losgeht, aber ich weiß nicht, ob das noch lange funktioniert.« Früher oder später würde sie einschlafen, und daran würde dann nicht einmal mehr eine Marschkapelle etwas ändern, die lautstark musizierend an ihrem Bett vorbeizog. »Kent, du musst mir einen Gefallen tun.«
Eine Weile betrachtete er sie nachdenklich, schien abzuwägen, was er sagen oder tun sollte, und Alessa hoffte inständig, dass er nicht aufspringen und Logan von ihrer Weigerung zu schlafen erzählen würde. Schließlich stand er auf und ging zum Fenster. Im Gegenlicht wirkte er so riesig und kantig, dass sie sich plötzlich wieder daran erinnerte, welchen Namen sie ihm gegeben hatte, ehe er sich ihr vorgestellt hatte: der Kühlschrank.
Glücklicherweise war er weit weniger kalt.
»Eigentlich traue ich mich kaum zu fragen.« Er seufzte. »Was für ein Gefallen soll das sein?«
»Ich brauche etwas, das mich wach hält.«
»Versuch es mit Kaffee.«
»Nicht stark genug.«
»Dann hole ich dir ein paar Koffeintabletten.«
»Verigss es, die werden kaum mehr bringen als Kaffee, und das andere Zeug aus der Apotheke wird vermutlich auch nicht viel taugen – zumindest nicht das, was man ohne Rezept bekommt.« Und zu einem Arzt gehen konnte sie nicht. Abgesehen davon, dass der zu viele Fragen stellen würde, würde er ihr wohl kaum ein Rezept über Retalin oder etwas Ähnliches ausschreiben, ohne sie gründlich zu untersuchen – nicht, wenn er ein verantwortungsbewusster Vertreter seiner Zunft war.
Kent starrte sie aus zusammengekniffenen Augen an. »Bittest du mich gerade darum, dir Drogen zu besorgen?«
»Amphetamine.«
»Crystal Meth«, nannte er das Kind beim Namen. »Bist du irre?!«
»Kent, bitte«, sagte sie eindringlich. »Ich muss wach bleiben! Anders schaffe ich es nicht.«
»Ich komme später noch mal vorbei, bevor ich ins Krankenhaus zurückfahre.« Er atmete tief durch. »Ich werde sehen, was ich tun kann.«
»Danke.« Sie streckte die Hand nach ihm aus, doch er hatte sich bereits abgewandt und ging ohne ein weiteres Wort.
Während der nächsten Stunden fiel es ihr zunächst nicht schwer, wach zu bleiben. Der stechende Schmerz in ihrer Schulter trug seinen Teil dazu bei. Wann immer sie einzunicken drohte, war er es, der sie sofort wieder die Augen öffnen
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