Die Daemonenseherin
meiste Zeit saß sie nur da und starrte aus dem Fenster. Sie wirkte vollkommen ruhig, lediglich ihre Hände, die sie in ihrem Schoß so fest ineinander verschränkt hatte, dass die Knöchel weiß hervortraten, verrieten ihre Nervosität.
An der Costorphine Road angekommen stellte Logan den Wagen im Hof ab und stieg aus, um Alessa herauszuhelfen. »Diesmal möchte ich, dass du mir etwas versprichst«, sagte sie, kaum dass ihre Füße den Kies berührten.
»Und was soll das sein?«
»Versprich mir, dass du nicht zulassen wirst, dass dieser Dämon jemanden in Gefahr bringt. Nie! Ich will dein Wort, dass du ihn in dem Moment, in dem du ihn siehst, abknallst – ohne Rücksicht auf mich.«
Sie sah ihm fest in die Augen. Die Entschlossenheit, die er in ihrem Blick fand, gefiel ihm nicht. Einen derartigen Schwur wollte er nicht leisten.
Wenn der Dämon ausbricht, ist sie ohnehin tot , meldete sich die Stimme der Vernunft zu Wort. Die Kreatur würde sie entweder zerreißen oder sich an ihrem Fleisch nähren – so oder so hatte sie keine Chance mehr, sollte es so weit kommen.
»Ich werde dich beschützen, das schwöre ich.«
Sie schüttelte den Kopf. »Nicht mich, zumindest nicht mich allein.«
»Du wirst dich damit zufriedengeben müssen. Immerhin bedeutet es, dass alle anderen ebenfalls in Sicherheit sind, wenn ich nicht zulasse, dass der Dämon dir etwas antut. Er bleibt schön brav da, wo er ist, zumindest so lange, bis wir einen Weg gefunden haben, ihn loszuwerden. Bis dahin werde ich auf dich aufpassen – und danach auch noch, wenn du das möchtest.«
»Mit dir zu verhandeln ist nicht leicht«, stellte sie fest und konnte sich dabei ein Lächeln nicht ganz verkneifen. »Allmählich wird mir klar, warum du so sicher bist, dass deine Männer auf dich hören und mich nicht auf der Stelle an die Gemeinschaft ausliefern werden.«
»Ich weiß nun einmal, wo meine Qualitäten liegen.«
Ihr Lächeln wurde breiter. »Jemanden niederzuquatschen ist beileibe nicht deine einzige Qualität.«
»Darüber solltest du mir mehr erzählen, wenn wir wieder in meinem Schlafzimmer sind – oder wenigstens in der Wohnung.« Das musste allerdings noch eine Weile warten. »Bist du bereit?«
»So bereit man eben sein kann.«
Er ließ ihre Hand nicht los, als er sie zum Haus führte, und auch drinnen gab er sie nicht frei. Vor dem Besprechungsraum angekommen blieb er stehen. Durch die Tür waren die Stimmen seiner Männer zu hören, die sich unterhielten und wie üblich lachend ihre Witze rissen.
Logan sah zu Alessa. »Niemand wird dir etwas tun«, sagte er wohl zum hundertsten Mal, seit er den Vorschlag gemacht hatte, mit den Männern zu sprechen und ihnen alles zu erklären. »Sie werden es verstehen.«
Heute würde er herausfinden, wie gut er sein Team tatsächlich kannte. Wenn seine Einschätzung stimmte, würde es keine Probleme geben. Sollte er sich jedoch irren … aber daran wollte er in diesem Moment nicht denken. Er hatte jeden Einzelnen selbst überprüft und ausgewählt. Er kannte die Männer und wusste, wie sie tickten – auch ohne dass er mit ihnen durch die Pubs zog. Das Team verließ sich auf ihn und vertraute darauf, dass er wusste, was er tat. Und auf dieses Vertrauen setzte er jetzt.
»Überlass einfach mir das Reden.« Er gab ihr einen Kuss, dann ließ er ihre Hand los und öffnete die Tür.
Fletcher und Buckingham saßen auf dem Tisch, Jones und Reese lehnten an einem der hohen Aktenschränke. Alle vier hatten sie Kaffeetassen in Händen, und auf dem Tisch stand ein offener Pappkarton voller Scones, Apfeltaschen und Muffins, oder was davon noch übrig war.
Als sie Logan bemerkten, sahen ihm vier Augenpaare über die Kaffeetassen hinweg entgegen, wobei sie Logan nur für einen kurzen Moment mit Aufmerksamkeit bedachten, ehe sich ihre Blicke auf Alessa hefteten. Fletchers und Reese’ Gesichtsausdruck glichen dem von Morgan, als er Alessa zum ersten Mal gesehen hatte, eine Mischung aus Überraschung und Neugierde.
Logan nickte den Jungs zur Begrüßung zu. »Danke, dass ihr gekommen seid.« Es war nicht die übliche Einleitung, denn für gewöhnlich setzte er die Anwesenheit bei einer Besprechung voraus, entsprechend brachte es ihm auch einige verwunderte Blicke ein, doch dieses Meeting war alles andere als gewöhnlich. »Wo ist Avery?«
»Hat Dienst bei den Superhelden«, kommentierte Buckingham grinsend. »Meine Herren, Boss, wo hast du die zwei Typen ausgegraben? Die sind wirklich unschlagbar –
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