Die Daemonenseherin
Typen, denen Alessa je begegnet war.
»Wisst ihr, woran mich das erinnert?«, meinte Kent nach einer Weile.
Parker warf einen Blick auf die Wand. »An die scheußlich langweiligen Tapeten in deinem Zimmer?«
»Quatsch! Nicht die Wand, du Idiot!« Kent schlug spielerisch nach ihm, bremste den Hieb aber ab, bevor er Parker treffen konnte. »Ich musste gerade an eine Stephen-King-Verfilmung denken. Zumindest glaube ich, dass es King war. Da saßen die Helden auch im Krankenhaus versammelt und waren gut drauf. So wie wir gerade.«
Alessa fühlte sich kein bisschen wie eine Heldin, schon eher wie jemand, der von einem Sog gepackt und in einen Strudel aus Ereignissen gerissen worden war, aus dem sie sich nicht mehr aus eigener Kraft befreien konnte. Es waren Hilflosigkeit und der Wunsch, einen Ausweg aus ihrer misslichen Lage zu finden, die sie vorantrieben, kein Heldenmut.
»Einspruch!«, rief Parker energisch. »Ich bin der Verletzte! Wenn das derselbe Film ist, an den ich mich auch erinnere, würde mir das die Rolle des Typen geben, der später den Löffel abgibt. Ich verzichte dankend.«
»Miesmacher«, brummte Kent und warf eine Münze in die Mitte des Tabletts. »Ich will euer Blatt sehen, ihr Versager!«
Alessa warf ihre Karten auf den Tisch. »Ich würde gerne mal sehen, wie viele Asse ihr beide in euren Ärmeln stecken habt«, beschwerte sie sich, als Kent sein Blatt aufdeckte.
»Das Glück ist mit den Tüchtigen«, grinste Parker. »Sieh es so: Alles, was wir gewinnen, fließt in unsere Gemeinschaftskasse und das bedeutet: immer leckeres Frühstück. Auch für dich, Herzchen.«
Alessa schnitt eine Grimasse. »Dann will ich künftig aber auch Schokohörnchen für mein Geld sehen, ihr Halsabschneider!« Sie hatte es bisher vermieden, mit Logan darüber zu sprechen, wie es mit ihnen beiden weitergehen sollte, wenn das alles vorüber war – falls es das je sein würde. Daran, dass er etwas für sie empfand, zweifelte sie nicht. Aber würde er sie auch bitten, bei ihm zu bleiben? Es fiel ihr schwer, sich vorzustellen, wie der Alltag an Logans Seite sein würde. Die Tage, die sie bisher zusammen verbracht hatten, waren alles andere als alltäglich gewesen, und Logan schien nicht der Typ zu sein, der seine Abende mit einer Schüssel Chips vor dem Fernseher verbrachte. Sie konnte sich gut mit ihm unterhalten und der Sex war einfach fantastisch, doch obwohl sie mittlerweile das Gefühl hatte, ihn mehr als nur oberflächlich zu kennen, fiel ihr zum ersten Mal auf, dass sie kaum etwas über seine Gewohnheiten und Vorlieben wusste. Was mochte er zum Frühstück? Wie verbrachte er seine Freizeit? Welche Filme und Bücher mochte er?
Alessa musste sich bremsen, ehe immer weitere Fragen ihren Verstand überschwemmten. Sie würde die Antworten früh genug erfahren – einen Teil davon kannte sie ohnehin schon. Logan hatte nur wenig Privatleben; nicht dass ihm seine Aufgaben keine Zeit dafür gelassen hätten, er schien einfach keines zu wollen. Kein Wunder, wenn er ständig allein ist. Vielleicht konnte sie etwas an diesem Zustand ändern. Ein wenig mehr Lebensfreude schadete ihm sicher nicht.
Am liebsten wäre sie jetzt bei ihm gewesen, auch wenn sie nicht wusste, ob sie den Mut aufbringen würde, mit ihm über die Zukunft zu sprechen – eine Zukunft, von der sie selbst nicht einmal wusste, ob es sie überhaupt geben würde.
Das Klingeln ihres Handys riss sie aus ihren Gedanken. Sie ging zur Fensterbank, wo sie ihren Parka abgelegt hatte, kramte nach dem Telefon und warf einen Blick darauf. Logan war schon lange kein Unbekannter Teilnehmer mehr, wie ihn das Display jetzt vermeldete. Trotz der Gewissheit, dass es nur ein Telefonverkäufer sein konnte oder jemand, der sich verwählt hatte, nahm sie das Gespräch an.
»Hallo?«
»Alessa? Gott sei Dank!«
Alessa erstarrte. »Susannah? Bist du das?«
»Ich bin es.«
Sie schloss erleichtert die Augen. »Geht es dir gut? Bist du verletzt?«
»Nein, alles okay.« Susannah zögerte kurz. »Aber ich stecke in Schwierigkeiten und musste untertauchen.«
»Wirst du verfolgt?«
»Nicht mehr.«
Hier, bei ihnen, wäre Susannah in Sicherheit. Allerdings wollte Alessa ihr nicht sagen, wo sie war – für den Fall, dass sie noch immer verfolgt wurde. Wenn es ihr jedoch gelänge, Susannah einzusammeln und auf dem Weg hierher alle Verfolger abzuhängen, hätten sie eine Chance. Ihr Blick glitt zu Avery. Vielleicht konnte sie ihn überreden. Er wäre ganz sicher in der Lage,
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